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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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nen Vater und ließ es ihm an nichts fehlen,
und es sah sich nicht um und ward nicht unge¬
duldig, wenn durch die Capriolen des Unglück¬
lichen die Leute aufmerksam wurden und dem
Wägelchen nachliefen, wo sie durchfuhren. End¬
lich erreichten sie das weitläufige Gebäude in
der Stadt, wo die langen Gänge, die Höfe und
ein freundlicher Garten von einer Menge ähn¬
licher Tröpfe belebt waren, die alle in weiße
Kittel gekleidet waren und dauerhafte Lederkäpp¬
chen auf den harten Köpfen trugen. Auch
Marti wurde noch vor Vrenchens Augen in diese
Tracht gekleidet, und er freuete sich wie ein
Kind darüber und tanzte singend umher. "Gott
grüß euch, ihr geehrten Herren!" rief er seine
neuen Genossen an, "ein schönes Haus habt ihr
hier! Geh' heim, Vrenggel! und sag' der Mutter,
ich komme nicht mehr nach Haus, hier gefällt's
mir bei Gott! Juchhei! Es kreucht ein Igel
über den Hag, ich hab' ihn hören bellen! O
Meitli küß kein' alten Knab, küß nur die jun¬
gen Gesellen! Alle die Wässerlein laufen in
Rhein, die mit dem Pflaumenaug', die muß es
sein! Gehst Du schon, Vreeli? Du siehst ja

nen Vater und ließ es ihm an nichts fehlen,
und es ſah ſich nicht um und ward nicht unge¬
duldig, wenn durch die Capriolen des Unglück¬
lichen die Leute aufmerkſam wurden und dem
Wägelchen nachliefen, wo ſie durchfuhren. End¬
lich erreichten ſie das weitläufige Gebäude in
der Stadt, wo die langen Gänge, die Höfe und
ein freundlicher Garten von einer Menge ähn¬
licher Tröpfe belebt waren, die alle in weiße
Kittel gekleidet waren und dauerhafte Lederkäpp¬
chen auf den harten Köpfen trugen. Auch
Marti wurde noch vor Vrenchens Augen in dieſe
Tracht gekleidet, und er freuete ſich wie ein
Kind darüber und tanzte ſingend umher. »Gott
grüß euch, ihr geehrten Herren!« rief er ſeine
neuen Genoſſen an, »ein ſchönes Haus habt ihr
hier! Geh' heim, Vrenggel! und ſag' der Mutter,
ich komme nicht mehr nach Haus, hier gefällt's
mir bei Gott! Juchhei! Es kreucht ein Igel
über den Hag, ich hab' ihn hören bellen! O
Meitli küß kein' alten Knab, küß nur die jun¬
gen Geſellen! Alle die Wäſſerlein laufen in
Rhein, die mit dem Pflaumenaug', die muß es
ſein! Gehſt Du ſchon, Vreeli? Du ſiehſt ja

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[292/0304] nen Vater und ließ es ihm an nichts fehlen, und es ſah ſich nicht um und ward nicht unge¬ duldig, wenn durch die Capriolen des Unglück¬ lichen die Leute aufmerkſam wurden und dem Wägelchen nachliefen, wo ſie durchfuhren. End¬ lich erreichten ſie das weitläufige Gebäude in der Stadt, wo die langen Gänge, die Höfe und ein freundlicher Garten von einer Menge ähn¬ licher Tröpfe belebt waren, die alle in weiße Kittel gekleidet waren und dauerhafte Lederkäpp¬ chen auf den harten Köpfen trugen. Auch Marti wurde noch vor Vrenchens Augen in dieſe Tracht gekleidet, und er freuete ſich wie ein Kind darüber und tanzte ſingend umher. »Gott grüß euch, ihr geehrten Herren!« rief er ſeine neuen Genoſſen an, »ein ſchönes Haus habt ihr hier! Geh' heim, Vrenggel! und ſag' der Mutter, ich komme nicht mehr nach Haus, hier gefällt's mir bei Gott! Juchhei! Es kreucht ein Igel über den Hag, ich hab' ihn hören bellen! O Meitli küß kein' alten Knab, küß nur die jun¬ gen Geſellen! Alle die Wäſſerlein laufen in Rhein, die mit dem Pflaumenaug', die muß es ſein! Gehſt Du ſchon, Vreeli? Du ſiehſt ja

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/304>, abgerufen am 12.05.2024.