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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sie jetzt doch nichts Gescheidtes vorzubringen, da
sie fremd war und die Leute nicht kannte. Die
Seldwyler von der schlechtesten Sorte, die da
hockten, hielten die Hand vor den Mund, woll¬
ten vor Lachen ersticken, stießen sich unter dem
Tisch mit den Füßen und sagten: "Potz tausig!
das ist ja eine Herrliche!" "Eine Himmlische!"
sagte ein Anderer "beim ewigen Hagel! es ist
der Mühe werth hieher zu kommen, so Eine
haben wir lang nicht gesehen!" Ihr Mann
bemerkte das wohl mit finsterem Blicke; er gab
ihr einen Stoß in die Rippen und flüsterte:
"Du alte Kuh! Was machst Du denn?" "Störe
mich nicht, sagte sie unwillig, Du alter Tol¬
patsch! siehst Du nicht, wie ich mir Mühe gebe
und mit den Leuten umzugehen weiß? Das
sind aber nur Lumpen von Deinem Anhang!
Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere
Kundschaft hier haben!" Dies alles war be¬
leuchtet von einem oder zwei dünnen Talglich¬
ten; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die
dunkle Küche, setzte sich auf den Herd und weinte
über Vater und Mutter.

Die Gäste hatten aber das Schauspiel bald

ſie jetzt doch nichts Geſcheidtes vorzubringen, da
ſie fremd war und die Leute nicht kannte. Die
Seldwyler von der ſchlechteſten Sorte, die da
hockten, hielten die Hand vor den Mund, woll¬
ten vor Lachen erſticken, ſtießen ſich unter dem
Tiſch mit den Füßen und ſagten: »Potz tauſig!
das iſt ja eine Herrliche!« »Eine Himmliſche!«
ſagte ein Anderer »beim ewigen Hagel! es iſt
der Mühe werth hieher zu kommen, ſo Eine
haben wir lang nicht geſehen!« Ihr Mann
bemerkte das wohl mit finſterem Blicke; er gab
ihr einen Stoß in die Rippen und flüſterte:
»Du alte Kuh! Was machſt Du denn?« »Störe
mich nicht, ſagte ſie unwillig, Du alter Tol¬
patſch! ſiehſt Du nicht, wie ich mir Mühe gebe
und mit den Leuten umzugehen weiß? Das
ſind aber nur Lumpen von Deinem Anhang!
Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere
Kundſchaft hier haben!« Dies alles war be¬
leuchtet von einem oder zwei dünnen Talglich¬
ten; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die
dunkle Küche, ſetzte ſich auf den Herd und weinte
über Vater und Mutter.

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[249/0261] ſie jetzt doch nichts Geſcheidtes vorzubringen, da ſie fremd war und die Leute nicht kannte. Die Seldwyler von der ſchlechteſten Sorte, die da hockten, hielten die Hand vor den Mund, woll¬ ten vor Lachen erſticken, ſtießen ſich unter dem Tiſch mit den Füßen und ſagten: »Potz tauſig! das iſt ja eine Herrliche!« »Eine Himmliſche!« ſagte ein Anderer »beim ewigen Hagel! es iſt der Mühe werth hieher zu kommen, ſo Eine haben wir lang nicht geſehen!« Ihr Mann bemerkte das wohl mit finſterem Blicke; er gab ihr einen Stoß in die Rippen und flüſterte: »Du alte Kuh! Was machſt Du denn?« »Störe mich nicht, ſagte ſie unwillig, Du alter Tol¬ patſch! ſiehſt Du nicht, wie ich mir Mühe gebe und mit den Leuten umzugehen weiß? Das ſind aber nur Lumpen von Deinem Anhang! Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere Kundſchaft hier haben!« Dies alles war be¬ leuchtet von einem oder zwei dünnen Talglich¬ ten; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die dunkle Küche, ſetzte ſich auf den Herd und weinte über Vater und Mutter. Die Gäſte hatten aber das Schauſpiel bald

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/261>, abgerufen am 10.05.2024.