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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hatte dies am wenigsten erwartet; er glaubte,
sein Gegner werde nach alter Weise mit dem
Pfluge zu Werke gehen wollen und hatte daher
abgewartet, bis er ihn als Pflüger ausziehen
sähe. Erst als die Sache schon beinahe fertig,
hörte er von dem schönen Denkmal, welches
Manz da errichtet, rannte voll Wuth hinaus,
sah die Bescherung, rannte zurück und holte
den Gemeindeamman, um vorläufig gegen den
Steinhaufen zu protestiren und den Fleck gericht¬
lich in Beschlag nehmen zu lassen, und von diesem
Tage an lagen die zwei Bauern in Proceß mit
einander und ruhten nicht eher, bis sie beide
zu Grunde gerichtet waren.

Die Gedanken der sonst so wohlweisen Män¬
ner waren nun so kurz geschnitten wie Häcksel;
der beschränkteste Rechtssinn von der Welt er¬
füllte jeden von ihnen, indem keiner begreifen
konnte noch wollte, wie der andere so offenbar
unrechtmäßig und willkührlich den fraglichen un¬
bedeutenden Ackerzipfel an sich reißen könne. Bei
Manz kam noch ein wunderbarer Sinn für Sym¬
metrie und parallele Linien hinzu und er fühlte
sich wahrhaft gekränkt durch den aberwitzigen

hatte dies am wenigſten erwartet; er glaubte,
ſein Gegner werde nach alter Weiſe mit dem
Pfluge zu Werke gehen wollen und hatte daher
abgewartet, bis er ihn als Pflüger ausziehen
ſähe. Erſt als die Sache ſchon beinahe fertig,
hörte er von dem ſchönen Denkmal, welches
Manz da errichtet, rannte voll Wuth hinaus,
ſah die Beſcherung, rannte zurück und holte
den Gemeindeamman, um vorläufig gegen den
Steinhaufen zu proteſtiren und den Fleck gericht¬
lich in Beſchlag nehmen zu laſſen, und von dieſem
Tage an lagen die zwei Bauern in Proceß mit
einander und ruhten nicht eher, bis ſie beide
zu Grunde gerichtet waren.

Die Gedanken der ſonſt ſo wohlweiſen Män¬
ner waren nun ſo kurz geſchnitten wie Häckſel;
der beſchränkteſte Rechtsſinn von der Welt er¬
füllte jeden von ihnen, indem keiner begreifen
konnte noch wollte, wie der andere ſo offenbar
unrechtmäßig und willkührlich den fraglichen un¬
bedeutenden Ackerzipfel an ſich reißen könne. Bei
Manz kam noch ein wunderbarer Sinn für Sym¬
metrie und parallele Linien hinzu und er fühlte
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[233/0245] hatte dies am wenigſten erwartet; er glaubte, ſein Gegner werde nach alter Weiſe mit dem Pfluge zu Werke gehen wollen und hatte daher abgewartet, bis er ihn als Pflüger ausziehen ſähe. Erſt als die Sache ſchon beinahe fertig, hörte er von dem ſchönen Denkmal, welches Manz da errichtet, rannte voll Wuth hinaus, ſah die Beſcherung, rannte zurück und holte den Gemeindeamman, um vorläufig gegen den Steinhaufen zu proteſtiren und den Fleck gericht¬ lich in Beſchlag nehmen zu laſſen, und von dieſem Tage an lagen die zwei Bauern in Proceß mit einander und ruhten nicht eher, bis ſie beide zu Grunde gerichtet waren. Die Gedanken der ſonſt ſo wohlweiſen Män¬ ner waren nun ſo kurz geſchnitten wie Häckſel; der beſchränkteſte Rechtsſinn von der Welt er¬ füllte jeden von ihnen, indem keiner begreifen konnte noch wollte, wie der andere ſo offenbar unrechtmäßig und willkührlich den fraglichen un¬ bedeutenden Ackerzipfel an ſich reißen könne. Bei Manz kam noch ein wunderbarer Sinn für Sym¬ metrie und parallele Linien hinzu und er fühlte ſich wahrhaft gekränkt durch den aberwitzigen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/245>, abgerufen am 25.11.2024.