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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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bemerkte und den Absender erkannte, so hörte es
darum nicht plötzlich auf zu schelten, aber richtete
unvermerkt seine Augen und seine Worte anders¬
wohin in den Haufen und verzog sich allmälig
hinter die Front; so gemüthlich und seltsamlich
spielen die Menschlichkeiten durcheinander. Fritz
Amrain aber war im höchsten Grade niederge¬
schlagen und trostlos. Zwei oder drei seiner
Gefährten waren gefallen und lagen noch da,
andere waren verwundet und er sah den Boden
um sich her mit Blut gefärbt; sein Gewehr
und seine Taschen waren ihm abgenommen, rings¬
um erblickte er drohende Gesichter, und so war
er plötzlich aus seiner bedachtlosen und fieberhaf¬
ten Aufregung erwacht, der Sonnenschein des
lustigen Kampftages war verwischt und verdun¬
kelt, das lustige Knallen der Schüsse und die
angenehme Musik des kurzen Gefechtlärmens
verklungen, und als nun gar endlich die Be¬
hörden oder Landesautoritäten sich hervorthaten
aus dem Wirrsal und eine trockene geschäftliche
Eintheilung und Abführung der Gefangenen be¬
gann, war es ihm zu Muthe, wie einem Schul¬
knaben, welcher aus einer muthwilligen Herrlich¬

bemerkte und den Abſender erkannte, ſo hörte es
darum nicht plötzlich auf zu ſchelten, aber richtete
unvermerkt ſeine Augen und ſeine Worte anders¬
wohin in den Haufen und verzog ſich allmälig
hinter die Front; ſo gemüthlich und ſeltſamlich
ſpielen die Menſchlichkeiten durcheinander. Fritz
Amrain aber war im höchſten Grade niederge¬
ſchlagen und troſtlos. Zwei oder drei ſeiner
Gefährten waren gefallen und lagen noch da,
andere waren verwundet und er ſah den Boden
um ſich her mit Blut gefärbt; ſein Gewehr
und ſeine Taſchen waren ihm abgenommen, rings¬
um erblickte er drohende Geſichter, und ſo war
er plötzlich aus ſeiner bedachtloſen und fieberhaf¬
ten Aufregung erwacht, der Sonnenſchein des
luſtigen Kampftages war verwiſcht und verdun¬
kelt, das luſtige Knallen der Schüſſe und die
angenehme Muſik des kurzen Gefechtlärmens
verklungen, und als nun gar endlich die Be¬
hörden oder Landesautoritäten ſich hervorthaten
aus dem Wirrſal und eine trockene geſchäftliche
Eintheilung und Abführung der Gefangenen be¬
gann, war es ihm zu Muthe, wie einem Schul¬
knaben, welcher aus einer muthwilligen Herrlich¬

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[174/0186] bemerkte und den Abſender erkannte, ſo hörte es darum nicht plötzlich auf zu ſchelten, aber richtete unvermerkt ſeine Augen und ſeine Worte anders¬ wohin in den Haufen und verzog ſich allmälig hinter die Front; ſo gemüthlich und ſeltſamlich ſpielen die Menſchlichkeiten durcheinander. Fritz Amrain aber war im höchſten Grade niederge¬ ſchlagen und troſtlos. Zwei oder drei ſeiner Gefährten waren gefallen und lagen noch da, andere waren verwundet und er ſah den Boden um ſich her mit Blut gefärbt; ſein Gewehr und ſeine Taſchen waren ihm abgenommen, rings¬ um erblickte er drohende Geſichter, und ſo war er plötzlich aus ſeiner bedachtloſen und fieberhaf¬ ten Aufregung erwacht, der Sonnenſchein des luſtigen Kampftages war verwiſcht und verdun¬ kelt, das luſtige Knallen der Schüſſe und die angenehme Muſik des kurzen Gefechtlärmens verklungen, und als nun gar endlich die Be¬ hörden oder Landesautoritäten ſich hervorthaten aus dem Wirrſal und eine trockene geſchäftliche Eintheilung und Abführung der Gefangenen be¬ gann, war es ihm zu Muthe, wie einem Schul¬ knaben, welcher aus einer muthwilligen Herrlich¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/186>, abgerufen am 27.11.2024.