Kaum waren sie entwaffnet und von dem Volke umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf sie niederregneten: Landfriedenbrecher, Freischärler, Räuber, Buben waren noch die mildesten Aus¬ rufe, die sie zu hören bekamen. Zudem wurden sie von vorn und hinten betrachtet wie wilde Thiere und je solider sie in ihrer Tracht und Haltung aussahen, desto erboster schienen die Bauern darüber zu werden, daß solche Leute solche Streiche machten.
So hatten sie nun nichts weiter zu thun, als zu stehen oder zu gehen, wo und wie man ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬ köpfigen Souverain beliebte, welchem sie sein Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬ fangenen sich trotzig zeigten oder nicht gehorchen wollten. Jeder schrie ihnen eine gute Lehre zu: "Wäret Ihr zu Hause geblieben, so brauchtet Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, so wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬ buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer
Kaum waren ſie entwaffnet und von dem Volke umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf ſie niederregneten: Landfriedenbrecher, Freiſchärler, Räuber, Buben waren noch die mildeſten Aus¬ rufe, die ſie zu hören bekamen. Zudem wurden ſie von vorn und hinten betrachtet wie wilde Thiere und je ſolider ſie in ihrer Tracht und Haltung ausſahen, deſto erboſter ſchienen die Bauern darüber zu werden, daß ſolche Leute ſolche Streiche machten.
So hatten ſie nun nichts weiter zu thun, als zu ſtehen oder zu gehen, wo und wie man ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬ köpfigen Souverain beliebte, welchem ſie ſein Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬ fangenen ſich trotzig zeigten oder nicht gehorchen wollten. Jeder ſchrie ihnen eine gute Lehre zu: »Wäret Ihr zu Hauſe geblieben, ſo brauchtet Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, ſo wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬ buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="170"/>
Kaum waren ſie entwaffnet und von dem Volke<lb/>
umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf ſie<lb/>
niederregneten: Landfriedenbrecher, Freiſchärler,<lb/>
Räuber, Buben waren noch die mildeſten Aus¬<lb/>
rufe, die ſie zu hören bekamen. Zudem wurden<lb/>ſie von vorn und hinten betrachtet wie wilde<lb/>
Thiere und je ſolider ſie in ihrer Tracht und<lb/>
Haltung ausſahen, deſto erboſter ſchienen die<lb/>
Bauern darüber zu werden, daß ſolche Leute ſolche<lb/>
Streiche machten.</p><lb/><p>So hatten ſie nun nichts weiter zu thun,<lb/>
als zu ſtehen oder zu gehen, wo und wie man<lb/>
ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬<lb/>
köpfigen Souverain beliebte, welchem ſie ſein<lb/>
Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es<lb/>
jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht<lb/>
an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬<lb/>
fangenen ſich trotzig zeigten oder nicht gehorchen<lb/>
wollten. Jeder ſchrie ihnen eine gute Lehre zu:<lb/>
»Wäret Ihr zu Hauſe geblieben, ſo brauchtet<lb/>
Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch<lb/>
hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, ſo<lb/>
wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬<lb/>
buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[170/0182]
Kaum waren ſie entwaffnet und von dem Volke
umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf ſie
niederregneten: Landfriedenbrecher, Freiſchärler,
Räuber, Buben waren noch die mildeſten Aus¬
rufe, die ſie zu hören bekamen. Zudem wurden
ſie von vorn und hinten betrachtet wie wilde
Thiere und je ſolider ſie in ihrer Tracht und
Haltung ausſahen, deſto erboſter ſchienen die
Bauern darüber zu werden, daß ſolche Leute ſolche
Streiche machten.
So hatten ſie nun nichts weiter zu thun,
als zu ſtehen oder zu gehen, wo und wie man
ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬
köpfigen Souverain beliebte, welchem ſie ſein
Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es
jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht
an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬
fangenen ſich trotzig zeigten oder nicht gehorchen
wollten. Jeder ſchrie ihnen eine gute Lehre zu:
»Wäret Ihr zu Hauſe geblieben, ſo brauchtet
Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch
hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, ſo
wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬
buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/182>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.