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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Handstreich zu zeigen, wer Meister im Lande
sei, und zahlreiche Parteigenossen umliegender
Kantone hatten ihren Zuzug zugesagt, als ob
ein Häring zu einem Lachs würde, wenn man
ihm den Kopf abbeißt und sagt: dies soll ein
Lachs sein! Aber in Zeiten des Umschwunges,
wenn ein neuer Geist umgeht, hat die alte
Schale des gewohnten Rechtes keinen Werth
mehr, da der Kern heraus ist, und ein neues
Rechtsbewußtsein muß erst erlernt und angewöhnt
werden, damit "rechtlich am längsten währe",
das heißt, so lange der neue Geist lebt und
währt, bis er wiederum veraltet ist und das
Auslegen und Zanken um die Schale des Rech¬
tes von neuem angeht. Als gewohnter Weise
wieder einige Dutzend Seldwyler beisammen wa¬
ren, um als ein tapferes Häuflein auszurücken
und der verhaßten Nachbarregierung vom Amte
zu helfen, war Frau Regel Amrain guter Laune,
indem sie dachte, diese bewaffneten Kannegießer
wären diesmal recht angeführt, wenn sie glaub¬
ten, daß ihr Sohn mitginge; denn nach ihren
bisherigen Erfahrungen, laut welchen das wackere
Blut stets durch eine einmalige Lehre sich ge¬

Handſtreich zu zeigen, wer Meiſter im Lande
ſei, und zahlreiche Parteigenoſſen umliegender
Kantone hatten ihren Zuzug zugeſagt, als ob
ein Häring zu einem Lachs würde, wenn man
ihm den Kopf abbeißt und ſagt: dies ſoll ein
Lachs ſein! Aber in Zeiten des Umſchwunges,
wenn ein neuer Geiſt umgeht, hat die alte
Schale des gewohnten Rechtes keinen Werth
mehr, da der Kern heraus iſt, und ein neues
Rechtsbewußtſein muß erſt erlernt und angewöhnt
werden, damit »rechtlich am längſten währe«,
das heißt, ſo lange der neue Geiſt lebt und
währt, bis er wiederum veraltet iſt und das
Auslegen und Zanken um die Schale des Rech¬
tes von neuem angeht. Als gewohnter Weiſe
wieder einige Dutzend Seldwyler beiſammen wa¬
ren, um als ein tapferes Häuflein auszurücken
und der verhaßten Nachbarregierung vom Amte
zu helfen, war Frau Regel Amrain guter Laune,
indem ſie dachte, dieſe bewaffneten Kannegießer
wären diesmal recht angeführt, wenn ſie glaub¬
ten, daß ihr Sohn mitginge; denn nach ihren
bisherigen Erfahrungen, laut welchen das wackere
Blut ſtets durch eine einmalige Lehre ſich ge¬

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[165/0177] Handſtreich zu zeigen, wer Meiſter im Lande ſei, und zahlreiche Parteigenoſſen umliegender Kantone hatten ihren Zuzug zugeſagt, als ob ein Häring zu einem Lachs würde, wenn man ihm den Kopf abbeißt und ſagt: dies ſoll ein Lachs ſein! Aber in Zeiten des Umſchwunges, wenn ein neuer Geiſt umgeht, hat die alte Schale des gewohnten Rechtes keinen Werth mehr, da der Kern heraus iſt, und ein neues Rechtsbewußtſein muß erſt erlernt und angewöhnt werden, damit »rechtlich am längſten währe«, das heißt, ſo lange der neue Geiſt lebt und währt, bis er wiederum veraltet iſt und das Auslegen und Zanken um die Schale des Rech¬ tes von neuem angeht. Als gewohnter Weiſe wieder einige Dutzend Seldwyler beiſammen wa¬ ren, um als ein tapferes Häuflein auszurücken und der verhaßten Nachbarregierung vom Amte zu helfen, war Frau Regel Amrain guter Laune, indem ſie dachte, dieſe bewaffneten Kannegießer wären diesmal recht angeführt, wenn ſie glaub¬ ten, daß ihr Sohn mitginge; denn nach ihren bisherigen Erfahrungen, laut welchen das wackere Blut ſtets durch eine einmalige Lehre ſich ge¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/177>, abgerufen am 27.11.2024.