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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Widerstand und ihren festen Charakter ersah,
verliebte er sich förmlich in sie und gedachte erst
recht seine Wünsche zu erreichen. So veränderte
sich sein Benehmen, daß er, statt wie bis anher
ehrbar um ihre Hand als Meisterin sich zu be¬
werben, nun um ihre Person schmachtete, wo sie
war, und sie stets mit verliebten Augen ansah,
wo es immer thunlich war. Dies war für ihn
eine zweckdienliche Veränderung, da die eigentliche
Verliebtheit in die Person eines Menschen den¬
selben vielmehr besticht und bezwingt, als alle
noch so ehrbaren Heirathsabsichten. Wenn nun
Frau Regel auch nicht die Haltung verlor und
sich in ihn wieder verliebte, so wurde es doch
schwerer für sie, ihn abzuwehren, ohne mit ihm zu
brechen und ihn zu verlieren, und es ist bekannt¬
lich eine Hauptliebhaberei der Frauen, sich nütz¬
liche Freunde und Parteigänger zu erhalten,
wenn es immer geschehen kann ohne große
Opfer.

Als der Werkführer in die Stube trat, fun¬
kelten seine Augen mit ungewöhnlichem Glanze,
denn er hatte im Verkehr mit einigen Geschäfts¬
leuten, mit denen er sich zum Vortheil der Frau

8 *

Widerſtand und ihren feſten Charakter erſah,
verliebte er ſich förmlich in ſie und gedachte erſt
recht ſeine Wünſche zu erreichen. So veränderte
ſich ſein Benehmen, daß er, ſtatt wie bis anher
ehrbar um ihre Hand als Meiſterin ſich zu be¬
werben, nun um ihre Perſon ſchmachtete, wo ſie
war, und ſie ſtets mit verliebten Augen anſah,
wo es immer thunlich war. Dies war für ihn
eine zweckdienliche Veränderung, da die eigentliche
Verliebtheit in die Perſon eines Menſchen den¬
ſelben vielmehr beſticht und bezwingt, als alle
noch ſo ehrbaren Heirathsabſichten. Wenn nun
Frau Regel auch nicht die Haltung verlor und
ſich in ihn wieder verliebte, ſo wurde es doch
ſchwerer für ſie, ihn abzuwehren, ohne mit ihm zu
brechen und ihn zu verlieren, und es iſt bekannt¬
lich eine Hauptliebhaberei der Frauen, ſich nütz¬
liche Freunde und Parteigänger zu erhalten,
wenn es immer geſchehen kann ohne große
Opfer.

Als der Werkführer in die Stube trat, fun¬
kelten ſeine Augen mit ungewöhnlichem Glanze,
denn er hatte im Verkehr mit einigen Geſchäfts¬
leuten, mit denen er ſich zum Vortheil der Frau

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[121/0133] Widerſtand und ihren feſten Charakter erſah, verliebte er ſich förmlich in ſie und gedachte erſt recht ſeine Wünſche zu erreichen. So veränderte ſich ſein Benehmen, daß er, ſtatt wie bis anher ehrbar um ihre Hand als Meiſterin ſich zu be¬ werben, nun um ihre Perſon ſchmachtete, wo ſie war, und ſie ſtets mit verliebten Augen anſah, wo es immer thunlich war. Dies war für ihn eine zweckdienliche Veränderung, da die eigentliche Verliebtheit in die Perſon eines Menſchen den¬ ſelben vielmehr beſticht und bezwingt, als alle noch ſo ehrbaren Heirathsabſichten. Wenn nun Frau Regel auch nicht die Haltung verlor und ſich in ihn wieder verliebte, ſo wurde es doch ſchwerer für ſie, ihn abzuwehren, ohne mit ihm zu brechen und ihn zu verlieren, und es iſt bekannt¬ lich eine Hauptliebhaberei der Frauen, ſich nütz¬ liche Freunde und Parteigänger zu erhalten, wenn es immer geſchehen kann ohne große Opfer. Als der Werkführer in die Stube trat, fun¬ kelten ſeine Augen mit ungewöhnlichem Glanze, denn er hatte im Verkehr mit einigen Geſchäfts¬ leuten, mit denen er ſich zum Vortheil der Frau 8 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/133>, abgerufen am 12.12.2024.