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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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und es war an diesem gewesen, was ihr eben
so wohl gefallen hatte, als sie ihn heirathete,
was ihr jetzt auch an dem kleinen Burschen so
wohl gefiel und doch so schwere Sorgen machte.
Wenn eine Gesichtsart Einem einmal wohlgefällt,
so hilft hiegegen kein Kraut; deswegen war
Frau Amrain froh, daß der Alte weg war und
sie ihn nicht mehr sah; aber er hatte ihr in
dem jüngsten Kinde ein treues Abbild seiner
äußeren Art hinterlassen, welches sie nie genug
ansehen konnte.

Über diesen Sorgen traf sie der Werkführer
oder oberste Arbeiter, der jetzt eintrat, um mit
ihr die Angelegenheiten und den Bestand der
Geschäfte durchzusehen und manche wichtige Dinge
zu besprechen. Es war ein hübscher und unter¬
nehmender Bursche von schlankem kräftigem Kör¬
perbau, mäßig in seiner Lebensweise, fleißig und
ausdauernd und dabei in seinen Gedanken von
einer gewissen einfachen Schlauheit, welche zu¬
sammen mit den erklecklichen Eigenschaften seiner
Meisterin eben das Geschäft in gutem Gange
erhielt und die gedankenlosen Spitzfindigkeiten
der Seldwyler zu Schanden werden ließ. In¬

und es war an dieſem geweſen, was ihr eben
ſo wohl gefallen hatte, als ſie ihn heirathete,
was ihr jetzt auch an dem kleinen Burſchen ſo
wohl gefiel und doch ſo ſchwere Sorgen machte.
Wenn eine Geſichtsart Einem einmal wohlgefällt,
ſo hilft hiegegen kein Kraut; deswegen war
Frau Amrain froh, daß der Alte weg war und
ſie ihn nicht mehr ſah; aber er hatte ihr in
dem jüngſten Kinde ein treues Abbild ſeiner
äußeren Art hinterlaſſen, welches ſie nie genug
anſehen konnte.

Über dieſen Sorgen traf ſie der Werkführer
oder oberſte Arbeiter, der jetzt eintrat, um mit
ihr die Angelegenheiten und den Beſtand der
Geſchäfte durchzuſehen und manche wichtige Dinge
zu beſprechen. Es war ein hübſcher und unter¬
nehmender Burſche von ſchlankem kräftigem Kör¬
perbau, mäßig in ſeiner Lebensweiſe, fleißig und
ausdauernd und dabei in ſeinen Gedanken von
einer gewiſſen einfachen Schlauheit, welche zu¬
ſammen mit den erklecklichen Eigenſchaften ſeiner
Meiſterin eben das Geſchäft in gutem Gange
erhielt und die gedankenloſen Spitzfindigkeiten
der Seldwyler zu Schanden werden ließ. In¬

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[119/0131] und es war an dieſem geweſen, was ihr eben ſo wohl gefallen hatte, als ſie ihn heirathete, was ihr jetzt auch an dem kleinen Burſchen ſo wohl gefiel und doch ſo ſchwere Sorgen machte. Wenn eine Geſichtsart Einem einmal wohlgefällt, ſo hilft hiegegen kein Kraut; deswegen war Frau Amrain froh, daß der Alte weg war und ſie ihn nicht mehr ſah; aber er hatte ihr in dem jüngſten Kinde ein treues Abbild ſeiner äußeren Art hinterlaſſen, welches ſie nie genug anſehen konnte. Über dieſen Sorgen traf ſie der Werkführer oder oberſte Arbeiter, der jetzt eintrat, um mit ihr die Angelegenheiten und den Beſtand der Geſchäfte durchzuſehen und manche wichtige Dinge zu beſprechen. Es war ein hübſcher und unter¬ nehmender Burſche von ſchlankem kräftigem Kör¬ perbau, mäßig in ſeiner Lebensweiſe, fleißig und ausdauernd und dabei in ſeinen Gedanken von einer gewiſſen einfachen Schlauheit, welche zu¬ ſammen mit den erklecklichen Eigenſchaften ſeiner Meiſterin eben das Geſchäft in gutem Gange erhielt und die gedankenloſen Spitzfindigkeiten der Seldwyler zu Schanden werden ließ. In¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/131>, abgerufen am 04.12.2024.