zu, bester Herr Pankrazius, und so werden die¬ jenigen bestraft, die sich vergehen im Reiche der Königin Schönheit!"
"Das heißt," sagte ich, "es scheint dies Reich eher einer Zigeunerbande zu gleichen. Wie kön¬ nen Sie eine Feder auf den Hut stecken, die Sie gestohlen haben, wie eine gemeine Ladendiebin? gegen den Willen des Eigenthümers?"
Sie antwortete: "Auf diesem Felde, bester Herr Eigenthümer, gereicht der Diebstahl der Diebin zum Ruhm, und Ihr Zorn beweist nur auf's Neue, wie gut ich Sie getroffen habe!"
So zankten wir noch eine gute halbe Stunde herum in dem süßen Orangenhaine, aber mit bittern harten Worten, und ich suchte vergeblich ihr begreiflich zu machen, wie diese abgestohlene und erschlichene Liebesgeschichte durchaus nicht den Werth für sie haben könnte, den sie ihr beilegte. Ich führte diesen Beweis wahrlich nicht aus phi¬ listerhafter Verletztheit und Grobheit, sondern um irgend einen Funken vom Gefühl ihres Unrechtes und der Unsittlichkeit ihrer Handlungsweise in ihr zu erwecken. Aber umsonst! Sie wollte nicht einsehen, daß eine rechte Gemüthsverfassung
zu, beſter Herr Pankrazius, und ſo werden die¬ jenigen beſtraft, die ſich vergehen im Reiche der Königin Schönheit!«
»Das heißt,« ſagte ich, »es ſcheint dies Reich eher einer Zigeunerbande zu gleichen. Wie kön¬ nen Sie eine Feder auf den Hut ſtecken, die Sie geſtohlen haben, wie eine gemeine Ladendiebin? gegen den Willen des Eigenthümers?«
Sie antwortete: »Auf dieſem Felde, beſter Herr Eigenthümer, gereicht der Diebſtahl der Diebin zum Ruhm, und Ihr Zorn beweiſt nur auf's Neue, wie gut ich Sie getroffen habe!«
So zankten wir noch eine gute halbe Stunde herum in dem ſüßen Orangenhaine, aber mit bittern harten Worten, und ich ſuchte vergeblich ihr begreiflich zu machen, wie dieſe abgeſtohlene und erſchlichene Liebesgeſchichte durchaus nicht den Werth für ſie haben könnte, den ſie ihr beilegte. Ich führte dieſen Beweis wahrlich nicht aus phi¬ liſterhafter Verletztheit und Grobheit, ſondern um irgend einen Funken vom Gefühl ihres Unrechtes und der Unſittlichkeit ihrer Handlungsweiſe in ihr zu erwecken. Aber umſonſt! Sie wollte nicht einſehen, daß eine rechte Gemüthsverfaſſung
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="88"/>
zu, beſter Herr Pankrazius, und ſo werden die¬<lb/>
jenigen beſtraft, die ſich vergehen im Reiche der<lb/>
Königin Schönheit!«</p><lb/><p>»Das heißt,« ſagte ich, »es ſcheint dies Reich<lb/>
eher einer Zigeunerbande zu gleichen. Wie kön¬<lb/>
nen Sie eine Feder auf den Hut ſtecken, die Sie<lb/>
geſtohlen haben, wie eine gemeine Ladendiebin?<lb/>
gegen den Willen des Eigenthümers?«</p><lb/><p>Sie antwortete: »Auf dieſem Felde, beſter<lb/>
Herr Eigenthümer, gereicht der Diebſtahl der<lb/>
Diebin zum Ruhm, und Ihr Zorn beweiſt nur<lb/>
auf's Neue, wie gut ich Sie getroffen habe!«</p><lb/><p>So zankten wir noch eine gute halbe Stunde<lb/>
herum in dem ſüßen Orangenhaine, aber mit<lb/>
bittern harten Worten, und ich ſuchte vergeblich<lb/>
ihr begreiflich zu machen, wie dieſe abgeſtohlene<lb/>
und erſchlichene Liebesgeſchichte durchaus nicht den<lb/>
Werth für ſie haben könnte, den ſie ihr beilegte.<lb/>
Ich führte dieſen Beweis wahrlich nicht aus phi¬<lb/>
liſterhafter Verletztheit und Grobheit, ſondern um<lb/>
irgend einen Funken vom Gefühl ihres Unrechtes<lb/>
und der Unſittlichkeit ihrer Handlungsweiſe in<lb/>
ihr zu erwecken. Aber umſonſt! Sie wollte<lb/>
nicht einſehen, daß eine rechte Gemüthsverfaſſung<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0100]
zu, beſter Herr Pankrazius, und ſo werden die¬
jenigen beſtraft, die ſich vergehen im Reiche der
Königin Schönheit!«
»Das heißt,« ſagte ich, »es ſcheint dies Reich
eher einer Zigeunerbande zu gleichen. Wie kön¬
nen Sie eine Feder auf den Hut ſtecken, die Sie
geſtohlen haben, wie eine gemeine Ladendiebin?
gegen den Willen des Eigenthümers?«
Sie antwortete: »Auf dieſem Felde, beſter
Herr Eigenthümer, gereicht der Diebſtahl der
Diebin zum Ruhm, und Ihr Zorn beweiſt nur
auf's Neue, wie gut ich Sie getroffen habe!«
So zankten wir noch eine gute halbe Stunde
herum in dem ſüßen Orangenhaine, aber mit
bittern harten Worten, und ich ſuchte vergeblich
ihr begreiflich zu machen, wie dieſe abgeſtohlene
und erſchlichene Liebesgeſchichte durchaus nicht den
Werth für ſie haben könnte, den ſie ihr beilegte.
Ich führte dieſen Beweis wahrlich nicht aus phi¬
liſterhafter Verletztheit und Grobheit, ſondern um
irgend einen Funken vom Gefühl ihres Unrechtes
und der Unſittlichkeit ihrer Handlungsweiſe in
ihr zu erwecken. Aber umſonſt! Sie wollte
nicht einſehen, daß eine rechte Gemüthsverfaſſung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/100>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.