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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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tiefer in das Holz hinein, sich nach ihm um¬
sehend; denn sie dachte ihn auf alle Weise vom
Laufen abzuhalten und so lange zu veriren, bis
er zu spät käme und nicht in Seldwyl bleiben
könne.

Allein der erfindungsreiche Schwabe änderte
zu selber Zeit seine Gedanken und nahm sich vor,
sein Heil hier oben zu erkämpfen, und so ge¬
schah es, daß es ganz anders kam, als die
listige Person es hoffte. Sobald er sie erreicht
und an einem verborgenen Plätzchen mit ihr
allein war, fiel er ihr zu Füßen und bestürmte
sie mit den feurigsten Liebeserklärungen, welche
ein Kammmacher je gemacht hat. Erst suchte
sie ihm Ruhe zu gebieten und, ohne ihn fortzu¬
scheuchen, auf gute Manier hinzuhalten, indem
sie alle ihre Weisheiten und Anmuthungen spie¬
len ließ. Als er ihr aber Himmel und Hölle
vorstellte, wozu ihm sein aufgeregter und ge¬
spannter Unternehmungsgeist herrliche Zauber¬
worte lieh, als er sie mit Zärtlichkeiten jeder
Art überhäufte und bald ihrer Hände, bald ihrer
Füße sich zu bemächtigen suchte und ihren Leib
und ihren Geist, alles was an ihr war, lobte

tiefer in das Holz hinein, ſich nach ihm um¬
ſehend; denn ſie dachte ihn auf alle Weiſe vom
Laufen abzuhalten und ſo lange zu veriren, bis
er zu ſpät käme und nicht in Seldwyl bleiben
könne.

Allein der erfindungsreiche Schwabe änderte
zu ſelber Zeit ſeine Gedanken und nahm ſich vor,
ſein Heil hier oben zu erkämpfen, und ſo ge¬
ſchah es, daß es ganz anders kam, als die
liſtige Perſon es hoffte. Sobald er ſie erreicht
und an einem verborgenen Plätzchen mit ihr
allein war, fiel er ihr zu Füßen und beſtürmte
ſie mit den feurigſten Liebeserklärungen, welche
ein Kammmacher je gemacht hat. Erſt ſuchte
ſie ihm Ruhe zu gebieten und, ohne ihn fortzu¬
ſcheuchen, auf gute Manier hinzuhalten, indem
ſie alle ihre Weisheiten und Anmuthungen ſpie¬
len ließ. Als er ihr aber Himmel und Hölle
vorſtellte, wozu ihm ſein aufgeregter und ge¬
ſpannter Unternehmungsgeiſt herrliche Zauber¬
worte lieh, als er ſie mit Zärtlichkeiten jeder
Art überhäufte und bald ihrer Hände, bald ihrer
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[438/0450] tiefer in das Holz hinein, ſich nach ihm um¬ ſehend; denn ſie dachte ihn auf alle Weiſe vom Laufen abzuhalten und ſo lange zu veriren, bis er zu ſpät käme und nicht in Seldwyl bleiben könne. Allein der erfindungsreiche Schwabe änderte zu ſelber Zeit ſeine Gedanken und nahm ſich vor, ſein Heil hier oben zu erkämpfen, und ſo ge¬ ſchah es, daß es ganz anders kam, als die liſtige Perſon es hoffte. Sobald er ſie erreicht und an einem verborgenen Plätzchen mit ihr allein war, fiel er ihr zu Füßen und beſtürmte ſie mit den feurigſten Liebeserklärungen, welche ein Kammmacher je gemacht hat. Erſt ſuchte ſie ihm Ruhe zu gebieten und, ohne ihn fortzu¬ ſcheuchen, auf gute Manier hinzuhalten, indem ſie alle ihre Weisheiten und Anmuthungen ſpie¬ len ließ. Als er ihr aber Himmel und Hölle vorſtellte, wozu ihm ſein aufgeregter und ge¬ ſpannter Unternehmungsgeiſt herrliche Zauber¬ worte lieh, als er ſie mit Zärtlichkeiten jeder Art überhäufte und bald ihrer Hände, bald ihrer Füße ſich zu bemächtigen ſuchte und ihren Leib und ihren Geiſt, alles was an ihr war, lobte

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/450>, abgerufen am 25.11.2024.