freundlich und listig: "Aber dann nachher, Jungfer Bäbi?" "O Dietrich! erwiederte sie sanft, wissen Sie nicht, daß es heißt, der Zug des Schicksals ist des Herzens Stimme?" Und da¬ bei sah sie ihn von der Seite so verblümt an, daß er abermals die Beine hob und Lust ver¬ spürte, sogleich in Trab zu gerathen. Während die zwei Nebenbuhler ihre kleinen Felleisenfuhr¬ werke in Ordnung brachten und Dietrich das Gleiche that, streifte sie mehrmals mit Nachdruck seinen Elbogen oder trat ihm auf den Fuß; auch wischte sie ihm den Staub von dem Hute, lächelte aber gleichzeitig den Andern zu, wie wenn sie den Schwaben auslachte, doch so, daß es dieser nicht sehen konnte. Alle drei bliesen jetzt mächtig die Backen auf und bliesen große Seufzer in die Luft. Sie sahen sich um nach allen Seiten, nahmen die Hüte ab, wischten sich den Schweiß von der Stirn, strichen die steif geklebten Haare und setzten die Hüte wieder auf. Nochmals schauten sie nach allen Winden und schnappten nach Luft. Züs erbarmte sich ihrer und war so gerührt, daß sie selbst weinte. "Hier sind noch drei dürre Pflaumen, sagte sie,
freundlich und liſtig: »Aber dann nachher, Jungfer Bäbi?« »O Dietrich! erwiederte ſie ſanft, wiſſen Sie nicht, daß es heißt, der Zug des Schickſals iſt des Herzens Stimme?« Und da¬ bei ſah ſie ihn von der Seite ſo verblümt an, daß er abermals die Beine hob und Luſt ver¬ ſpürte, ſogleich in Trab zu gerathen. Während die zwei Nebenbuhler ihre kleinen Felleiſenfuhr¬ werke in Ordnung brachten und Dietrich das Gleiche that, ſtreifte ſie mehrmals mit Nachdruck ſeinen Elbogen oder trat ihm auf den Fuß; auch wiſchte ſie ihm den Staub von dem Hute, lächelte aber gleichzeitig den Andern zu, wie wenn ſie den Schwaben auslachte, doch ſo, daß es dieſer nicht ſehen konnte. Alle drei blieſen jetzt mächtig die Backen auf und blieſen große Seufzer in die Luft. Sie ſahen ſich um nach allen Seiten, nahmen die Hüte ab, wiſchten ſich den Schweiß von der Stirn, ſtrichen die ſteif geklebten Haare und ſetzten die Hüte wieder auf. Nochmals ſchauten ſie nach allen Winden und ſchnappten nach Luft. Züs erbarmte ſich ihrer und war ſo gerührt, daß ſie ſelbſt weinte. »Hier ſind noch drei dürre Pflaumen, ſagte ſie,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0446"n="434"/>
freundlich und liſtig: »Aber dann nachher, Jungfer<lb/>
Bäbi?« »O Dietrich! erwiederte ſie ſanft,<lb/>
wiſſen Sie nicht, daß es heißt, der Zug des<lb/>
Schickſals iſt des Herzens Stimme?« Und da¬<lb/>
bei ſah ſie ihn von der Seite ſo verblümt an,<lb/>
daß er abermals die Beine hob und Luſt ver¬<lb/>ſpürte, ſogleich in Trab zu gerathen. Während<lb/>
die zwei Nebenbuhler ihre kleinen Felleiſenfuhr¬<lb/>
werke in Ordnung brachten und Dietrich das<lb/>
Gleiche that, ſtreifte ſie mehrmals mit Nachdruck<lb/>ſeinen Elbogen oder trat ihm auf den Fuß;<lb/>
auch wiſchte ſie ihm den Staub von dem Hute,<lb/>
lächelte aber gleichzeitig den Andern zu, wie<lb/>
wenn ſie den Schwaben auslachte, doch ſo, daß<lb/>
es dieſer nicht ſehen konnte. Alle drei blieſen<lb/>
jetzt mächtig die Backen auf und blieſen große<lb/>
Seufzer in die Luft. Sie ſahen ſich um nach<lb/>
allen Seiten, nahmen die Hüte ab, wiſchten ſich<lb/>
den Schweiß von der Stirn, ſtrichen die ſteif<lb/>
geklebten Haare und ſetzten die Hüte wieder<lb/>
auf. Nochmals ſchauten ſie nach allen Winden<lb/>
und ſchnappten nach Luft. Züs erbarmte ſich<lb/>
ihrer und war ſo gerührt, daß ſie ſelbſt weinte.<lb/>
»Hier ſind noch drei dürre Pflaumen, ſagte ſie,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[434/0446]
freundlich und liſtig: »Aber dann nachher, Jungfer
Bäbi?« »O Dietrich! erwiederte ſie ſanft,
wiſſen Sie nicht, daß es heißt, der Zug des
Schickſals iſt des Herzens Stimme?« Und da¬
bei ſah ſie ihn von der Seite ſo verblümt an,
daß er abermals die Beine hob und Luſt ver¬
ſpürte, ſogleich in Trab zu gerathen. Während
die zwei Nebenbuhler ihre kleinen Felleiſenfuhr¬
werke in Ordnung brachten und Dietrich das
Gleiche that, ſtreifte ſie mehrmals mit Nachdruck
ſeinen Elbogen oder trat ihm auf den Fuß;
auch wiſchte ſie ihm den Staub von dem Hute,
lächelte aber gleichzeitig den Andern zu, wie
wenn ſie den Schwaben auslachte, doch ſo, daß
es dieſer nicht ſehen konnte. Alle drei blieſen
jetzt mächtig die Backen auf und blieſen große
Seufzer in die Luft. Sie ſahen ſich um nach
allen Seiten, nahmen die Hüte ab, wiſchten ſich
den Schweiß von der Stirn, ſtrichen die ſteif
geklebten Haare und ſetzten die Hüte wieder
auf. Nochmals ſchauten ſie nach allen Winden
und ſchnappten nach Luft. Züs erbarmte ſich
ihrer und war ſo gerührt, daß ſie ſelbſt weinte.
»Hier ſind noch drei dürre Pflaumen, ſagte ſie,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/446>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.