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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Durch diese ruhigeren Gedanken kehrte seine na¬
türliche Besonnenheit und Weisheit zurück, und
indem er die Sache näher überlegte, fand er,
daß wenn er sich ergebungsvoll und bescheiden
anstelle, sich dem schwierigen Werke unterziehe
und dabei sich zusammennehme und klug verhalte,
er noch am ehesten über seine Nebenbuhler ob¬
siegen könne. Sachte stieg er aus dem Bette
und begann, seine Sachen zu ordnen und vor
allem seinen Schatz zu heben und zu unterst in
das alte Felleisen zu verpacken. Darüber er¬
wachten sogleich seine Gefährten; wie diese sa¬
hen, daß er so gelassen sein Bündel schnürte,
verwunderten sie sich sehr und noch mehr, als
Jobst sie mit versöhnlichen Worten anredete und
ihnen einen guten Morgen wünschte. Weiter
ließ er sich aber nicht aus, sondern fuhr in sei¬
nem Geschäfte still und friedfertig fort. Sogleich,
obschon sie nicht wußten, was er im Schilde
führe, witterten sie eine Kriegslist in seinem
Benehmen und ahmten es auf der Stelle nach,
höchst aufmerksam auf Alles, was er ferner be¬
ginnen würde. Hierbei war es seltsam, wie sie
alle drei zum ersten Mal offen ihre Schätze un¬

Durch dieſe ruhigeren Gedanken kehrte ſeine na¬
türliche Beſonnenheit und Weisheit zurück, und
indem er die Sache näher überlegte, fand er,
daß wenn er ſich ergebungsvoll und beſcheiden
anſtelle, ſich dem ſchwierigen Werke unterziehe
und dabei ſich zuſammennehme und klug verhalte,
er noch am eheſten über ſeine Nebenbuhler ob¬
ſiegen könne. Sachte ſtieg er aus dem Bette
und begann, ſeine Sachen zu ordnen und vor
allem ſeinen Schatz zu heben und zu unterſt in
das alte Felleiſen zu verpacken. Darüber er¬
wachten ſogleich ſeine Gefährten; wie dieſe ſa¬
hen, daß er ſo gelaſſen ſein Bündel ſchnürte,
verwunderten ſie ſich ſehr und noch mehr, als
Jobſt ſie mit verſöhnlichen Worten anredete und
ihnen einen guten Morgen wünſchte. Weiter
ließ er ſich aber nicht aus, ſondern fuhr in ſei¬
nem Geſchäfte ſtill und friedfertig fort. Sogleich,
obſchon ſie nicht wußten, was er im Schilde
führe, witterten ſie eine Kriegsliſt in ſeinem
Benehmen und ahmten es auf der Stelle nach,
höchſt aufmerkſam auf Alles, was er ferner be¬
ginnen würde. Hierbei war es ſeltſam, wie ſie
alle drei zum erſten Mal offen ihre Schätze un¬

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[413/0425] Durch dieſe ruhigeren Gedanken kehrte ſeine na¬ türliche Beſonnenheit und Weisheit zurück, und indem er die Sache näher überlegte, fand er, daß wenn er ſich ergebungsvoll und beſcheiden anſtelle, ſich dem ſchwierigen Werke unterziehe und dabei ſich zuſammennehme und klug verhalte, er noch am eheſten über ſeine Nebenbuhler ob¬ ſiegen könne. Sachte ſtieg er aus dem Bette und begann, ſeine Sachen zu ordnen und vor allem ſeinen Schatz zu heben und zu unterſt in das alte Felleiſen zu verpacken. Darüber er¬ wachten ſogleich ſeine Gefährten; wie dieſe ſa¬ hen, daß er ſo gelaſſen ſein Bündel ſchnürte, verwunderten ſie ſich ſehr und noch mehr, als Jobſt ſie mit verſöhnlichen Worten anredete und ihnen einen guten Morgen wünſchte. Weiter ließ er ſich aber nicht aus, ſondern fuhr in ſei¬ nem Geſchäfte ſtill und friedfertig fort. Sogleich, obſchon ſie nicht wußten, was er im Schilde führe, witterten ſie eine Kriegsliſt in ſeinem Benehmen und ahmten es auf der Stelle nach, höchſt aufmerkſam auf Alles, was er ferner be¬ ginnen würde. Hierbei war es ſeltſam, wie ſie alle drei zum erſten Mal offen ihre Schätze un¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/425>, abgerufen am 27.11.2024.