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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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tes, über den Tod, über die Heilsamkeit des
Entsagens, über die Größe der sichtbaren Welt
und das Geheimnißvolle der unsichtbaren, über
das Landleben und dessen Freuden, über die Na¬
tur, über die Träume, über die Liebe, Einiges
über das Erlösungswerk Christi, drei Punkte über
die Selbstgerechtigkeit, Gedanken über die Un¬
sterblichkeit. Sie las ihren Freunden und An¬
betern diese Arbeiten laut vor und wem sie recht
wohlwollte, dem schenkte sie einen oder zwei
solcher Aufsätze und der mußte sie in die Bibel
legen, wenn er eine hatte. Diese ihre geistige
Seite hatte ihr einst die tiefe und aufrichtige
Neigung eines jungen Buchbindergesellen zuge¬
zogen, welcher alle Bücher las, die er einband,
und ein strebsamer, gefühlvoller und unerfahre¬
ner Mensch war. Wenn er sein Waschbündel
zu Züsis Mutter brachte, dünkte er im Himmel
zu sein, so wohl gefiel es ihm, solche herrliche
Reden zu hören, die er sich selbst schon so oft
idealisch gedacht aber nicht auszustoßen getraut
hatte. Schüchtern und ehrerbietig näherte er
sich der abwechselnd strengen und beredten Jung¬
frau, und sie gewährte ihm ihren Umgang und

tes, über den Tod, über die Heilſamkeit des
Entſagens, über die Größe der ſichtbaren Welt
und das Geheimnißvolle der unſichtbaren, über
das Landleben und deſſen Freuden, über die Na¬
tur, über die Träume, über die Liebe, Einiges
über das Erlöſungswerk Chriſti, drei Punkte über
die Selbſtgerechtigkeit, Gedanken über die Un¬
ſterblichkeit. Sie las ihren Freunden und An¬
betern dieſe Arbeiten laut vor und wem ſie recht
wohlwollte, dem ſchenkte ſie einen oder zwei
ſolcher Aufſätze und der mußte ſie in die Bibel
legen, wenn er eine hatte. Dieſe ihre geiſtige
Seite hatte ihr einſt die tiefe und aufrichtige
Neigung eines jungen Buchbindergeſellen zuge¬
zogen, welcher alle Bücher las, die er einband,
und ein ſtrebſamer, gefühlvoller und unerfahre¬
ner Menſch war. Wenn er ſein Waſchbündel
zu Züſis Mutter brachte, dünkte er im Himmel
zu ſein, ſo wohl gefiel es ihm, ſolche herrliche
Reden zu hören, die er ſich ſelbſt ſchon ſo oft
idealiſch gedacht aber nicht auszuſtoßen getraut
hatte. Schüchtern und ehrerbietig näherte er
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[391/0403] tes, über den Tod, über die Heilſamkeit des Entſagens, über die Größe der ſichtbaren Welt und das Geheimnißvolle der unſichtbaren, über das Landleben und deſſen Freuden, über die Na¬ tur, über die Träume, über die Liebe, Einiges über das Erlöſungswerk Chriſti, drei Punkte über die Selbſtgerechtigkeit, Gedanken über die Un¬ ſterblichkeit. Sie las ihren Freunden und An¬ betern dieſe Arbeiten laut vor und wem ſie recht wohlwollte, dem ſchenkte ſie einen oder zwei ſolcher Aufſätze und der mußte ſie in die Bibel legen, wenn er eine hatte. Dieſe ihre geiſtige Seite hatte ihr einſt die tiefe und aufrichtige Neigung eines jungen Buchbindergeſellen zuge¬ zogen, welcher alle Bücher las, die er einband, und ein ſtrebſamer, gefühlvoller und unerfahre¬ ner Menſch war. Wenn er ſein Waſchbündel zu Züſis Mutter brachte, dünkte er im Himmel zu ſein, ſo wohl gefiel es ihm, ſolche herrliche Reden zu hören, die er ſich ſelbſt ſchon ſo oft idealiſch gedacht aber nicht auszuſtoßen getraut hatte. Schüchtern und ehrerbietig näherte er ſich der abwechſelnd ſtrengen und beredten Jung¬ frau, und ſie gewährte ihm ihren Umgang und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/403>, abgerufen am 30.11.2024.