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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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Wonnebold hatte in der Zeit einen sehr schlechten
Tag verbracht, von Reue und Zorn gepeinigt, und
da er wohl fühlte, daß er sich auch vor der so leicht¬
fertig verspielten Geliebten schämte, ward er inne,
wie hoch er sie unbewußt hielt und daß er kaum
ohne sie leben mochte. Als sie daher unversehens
vor ihm stand, breitete er, noch ehe er seine Ueber¬
raschung ausdrückte, seine Arme nach ihr aus und
sie eilte ohne Klagen und ohne Vorwürfe in dieselben
hinein. Laut lachte er auf, als sie ihm ihre Kriegs¬
list erzählte, und wurde nachdenklich über ihre Treue,
denn jener Baron war ein ganz ansehnlicher und
schmucker Gesell.

Um sich nun gegen alle künftigen Unfälle zu wah¬
ren, machte er die schöne Beatrix zu seiner rechtmäßi¬
gen Gemahlin vor allen seinen Standesgenossen und
Hörigen, so daß sie von jetzt an eine Rittersfrau
vorstellte, die ihres Gleichen suchte bei Jagden, Festen
und Tänzen sowohl als in den Hütten der Unter¬
thanen und im Herrenstuhl der Kirche.

Die Jahre gingen wechselvoll vorüber und wäh¬
rend zwölf reichen Herbsten gebar sie ihrem Gatten
acht Söhne, welche emporwuchsen wie junge Hirsche.

Als der älteste achtzehn Jahre zählte, erhob sie
sich in einer Herbstnacht von der Seite ihres Wonne¬
boldes, ohne daß er es merkte, legte sorgfältig all'

Wonnebold hatte in der Zeit einen ſehr ſchlechten
Tag verbracht, von Reue und Zorn gepeinigt, und
da er wohl fühlte, daß er ſich auch vor der ſo leicht¬
fertig verſpielten Geliebten ſchämte, ward er inne,
wie hoch er ſie unbewußt hielt und daß er kaum
ohne ſie leben mochte. Als ſie daher unverſehens
vor ihm ſtand, breitete er, noch ehe er ſeine Ueber¬
raſchung ausdrückte, ſeine Arme nach ihr aus und
ſie eilte ohne Klagen und ohne Vorwürfe in dieſelben
hinein. Laut lachte er auf, als ſie ihm ihre Kriegs¬
liſt erzählte, und wurde nachdenklich über ihre Treue,
denn jener Baron war ein ganz anſehnlicher und
ſchmucker Geſell.

Um ſich nun gegen alle künftigen Unfälle zu wah¬
ren, machte er die ſchöne Beatrix zu ſeiner rechtmäßi¬
gen Gemahlin vor allen ſeinen Standesgenoſſen und
Hörigen, ſo daß ſie von jetzt an eine Rittersfrau
vorſtellte, die ihres Gleichen ſuchte bei Jagden, Feſten
und Tänzen ſowohl als in den Hütten der Unter¬
thanen und im Herrenſtuhl der Kirche.

Die Jahre gingen wechſelvoll vorüber und wäh¬
rend zwölf reichen Herbſten gebar ſie ihrem Gatten
acht Söhne, welche emporwuchſen wie junge Hirſche.

Als der älteſte achtzehn Jahre zählte, erhob ſie
ſich in einer Herbſtnacht von der Seite ihres Wonne¬
boldes, ohne daß er es merkte, legte ſorgfältig all'

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[77/0091] Wonnebold hatte in der Zeit einen ſehr ſchlechten Tag verbracht, von Reue und Zorn gepeinigt, und da er wohl fühlte, daß er ſich auch vor der ſo leicht¬ fertig verſpielten Geliebten ſchämte, ward er inne, wie hoch er ſie unbewußt hielt und daß er kaum ohne ſie leben mochte. Als ſie daher unverſehens vor ihm ſtand, breitete er, noch ehe er ſeine Ueber¬ raſchung ausdrückte, ſeine Arme nach ihr aus und ſie eilte ohne Klagen und ohne Vorwürfe in dieſelben hinein. Laut lachte er auf, als ſie ihm ihre Kriegs¬ liſt erzählte, und wurde nachdenklich über ihre Treue, denn jener Baron war ein ganz anſehnlicher und ſchmucker Geſell. Um ſich nun gegen alle künftigen Unfälle zu wah¬ ren, machte er die ſchöne Beatrix zu ſeiner rechtmäßi¬ gen Gemahlin vor allen ſeinen Standesgenoſſen und Hörigen, ſo daß ſie von jetzt an eine Rittersfrau vorſtellte, die ihres Gleichen ſuchte bei Jagden, Feſten und Tänzen ſowohl als in den Hütten der Unter¬ thanen und im Herrenſtuhl der Kirche. Die Jahre gingen wechſelvoll vorüber und wäh¬ rend zwölf reichen Herbſten gebar ſie ihrem Gatten acht Söhne, welche emporwuchſen wie junge Hirſche. Als der älteſte achtzehn Jahre zählte, erhob ſie ſich in einer Herbſtnacht von der Seite ihres Wonne¬ boldes, ohne daß er es merkte, legte ſorgfältig all'

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/91>, abgerufen am 27.11.2024.