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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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Gebizo hatte zu seinen früheren Besitzungen noch
so viele neue erworben, daß Bertrade über eine be¬
deutende Grafschaft gebot und sowohl ihres Reich¬
thums als ihrer Schönheit wegen im deutschen Reiche
berühmt wurde. Da sie zugleich eine große Beschei¬
denheit und Freundlichkeit gegen Jedermann kund
that, so schien das Kleinod ihrer Person allen unter¬
nehmenden und schüchternen, kühnen und furchtsamen,
großen und kleinen Edelleuten gleich leicht zu gewin¬
nen, und männiglich, wer sie einigemal gesehen, wun¬
derte sich, warum er sie eigentlich nicht schon an der
Hand hätte. Dennoch war mehr als ein Jahr ver¬
flossen, ohne daß man von Einem vernahm, der wirk¬
liche Hoffnung gewonnen.

Auch der Kaiser hörte von ihr, und da er wünschte,
daß ein so ansehnliches Lehen in die Hand eines
rechten Mannes käme, beschloß er, auf einer Reise
die berühmte Wittwe zu besuchen, und zeigte ihr dies
in einem gar wohlgeneigten und freundlichen Briefe
an. Diesen gab er einem jungen Ritter Zendelwald,

Gebizo hatte zu ſeinen früheren Beſitzungen noch
ſo viele neue erworben, daß Bertrade über eine be¬
deutende Grafſchaft gebot und ſowohl ihres Reich¬
thums als ihrer Schönheit wegen im deutſchen Reiche
berühmt wurde. Da ſie zugleich eine große Beſchei¬
denheit und Freundlichkeit gegen Jedermann kund
that, ſo ſchien das Kleinod ihrer Perſon allen unter¬
nehmenden und ſchüchternen, kühnen und furchtſamen,
großen und kleinen Edelleuten gleich leicht zu gewin¬
nen, und männiglich, wer ſie einigemal geſehen, wun¬
derte ſich, warum er ſie eigentlich nicht ſchon an der
Hand hätte. Dennoch war mehr als ein Jahr ver¬
floſſen, ohne daß man von Einem vernahm, der wirk¬
liche Hoffnung gewonnen.

Auch der Kaiſer hörte von ihr, und da er wünſchte,
daß ein ſo anſehnliches Lehen in die Hand eines
rechten Mannes käme, beſchloß er, auf einer Reiſe
die berühmte Wittwe zu beſuchen, und zeigte ihr dies
in einem gar wohlgeneigten und freundlichen Briefe
an. Dieſen gab er einem jungen Ritter Zendelwald,

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[0061] Gebizo hatte zu ſeinen früheren Beſitzungen noch ſo viele neue erworben, daß Bertrade über eine be¬ deutende Grafſchaft gebot und ſowohl ihres Reich¬ thums als ihrer Schönheit wegen im deutſchen Reiche berühmt wurde. Da ſie zugleich eine große Beſchei¬ denheit und Freundlichkeit gegen Jedermann kund that, ſo ſchien das Kleinod ihrer Perſon allen unter¬ nehmenden und ſchüchternen, kühnen und furchtſamen, großen und kleinen Edelleuten gleich leicht zu gewin¬ nen, und männiglich, wer ſie einigemal geſehen, wun¬ derte ſich, warum er ſie eigentlich nicht ſchon an der Hand hätte. Dennoch war mehr als ein Jahr ver¬ floſſen, ohne daß man von Einem vernahm, der wirk¬ liche Hoffnung gewonnen. Auch der Kaiſer hörte von ihr, und da er wünſchte, daß ein ſo anſehnliches Lehen in die Hand eines rechten Mannes käme, beſchloß er, auf einer Reiſe die berühmte Wittwe zu beſuchen, und zeigte ihr dies in einem gar wohlgeneigten und freundlichen Briefe an. Dieſen gab er einem jungen Ritter Zendelwald,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/61>, abgerufen am 25.11.2024.