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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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es, daß der Graf nach und nach alle seine Herrschaf¬
ten verpfänden mußte, um seinem Hange zu gro߬
artigem Wohlthun zu fröhnen, und je mehr er sich
verschuldete, desto eifriger verdoppelte er seine Ver¬
gabungen und Armenfeste, um dadurch den Segen des
Himmels, wie er meinte, wieder zu seinen Gunsten
zu wenden. Zuletzt verarmte er gänzlich, seine Burg
verödete und verfiel; erfolglose und thörichte Stif¬
tungen und Schenkungsbriefe, welche er aus alter
Gewohnheit immer noch zu schreiben nicht unterlassen
konnte, trugen ihm nur Spott ein, und wenn er hie
und da noch einen zerlumpten Bettler auf seine Burg
locken konnte, so warf ihm dieser das magere Süpp¬
chen, das er ihm vorsetzte, mit höhnischen Schmäh¬
worten vor die Füße und machte sich davon.

Nur Eines blieb sich immer gleich, die Schönheit
seiner Frau Bertrade; ja, je öder es im Hause aus¬
sah, desto lichter schien diese Schönheit zu werden.
Und auch an Huld, Liebe und Güte nahm sie zu, je
ärmer Gebizo wurde, so daß aller Segen des Him¬
mels sich in dies Weib zu legen schien und tausend
Männer den Grafen um diesen einen Schatz, der ihm
noch übrig blieb, beneideten. Er allein sah nichts
von alledem, und jemehr sich die holde Bertrade be¬
mühte, ihn aufzuheitern und seine Armuth zu ver¬
süßen, desto geringer schätzte er dies Kleinod und

es, daß der Graf nach und nach alle ſeine Herrſchaf¬
ten verpfänden mußte, um ſeinem Hange zu gro߬
artigem Wohlthun zu fröhnen, und je mehr er ſich
verſchuldete, deſto eifriger verdoppelte er ſeine Ver¬
gabungen und Armenfeſte, um dadurch den Segen des
Himmels, wie er meinte, wieder zu ſeinen Gunſten
zu wenden. Zuletzt verarmte er gänzlich, ſeine Burg
verödete und verfiel; erfolgloſe und thörichte Stif¬
tungen und Schenkungsbriefe, welche er aus alter
Gewohnheit immer noch zu ſchreiben nicht unterlaſſen
konnte, trugen ihm nur Spott ein, und wenn er hie
und da noch einen zerlumpten Bettler auf ſeine Burg
locken konnte, ſo warf ihm dieſer das magere Süpp¬
chen, das er ihm vorſetzte, mit höhniſchen Schmäh¬
worten vor die Füße und machte ſich davon.

Nur Eines blieb ſich immer gleich, die Schönheit
ſeiner Frau Bertrade; ja, je öder es im Hauſe aus¬
ſah, deſto lichter ſchien dieſe Schönheit zu werden.
Und auch an Huld, Liebe und Güte nahm ſie zu, je
ärmer Gebizo wurde, ſo daß aller Segen des Him¬
mels ſich in dies Weib zu legen ſchien und tauſend
Männer den Grafen um dieſen einen Schatz, der ihm
noch übrig blieb, beneideten. Er allein ſah nichts
von alledem, und jemehr ſich die holde Bertrade be¬
mühte, ihn aufzuheitern und ſeine Armuth zu ver¬
ſüßen, deſto geringer ſchätzte er dies Kleinod und

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[32/0046] es, daß der Graf nach und nach alle ſeine Herrſchaf¬ ten verpfänden mußte, um ſeinem Hange zu gro߬ artigem Wohlthun zu fröhnen, und je mehr er ſich verſchuldete, deſto eifriger verdoppelte er ſeine Ver¬ gabungen und Armenfeſte, um dadurch den Segen des Himmels, wie er meinte, wieder zu ſeinen Gunſten zu wenden. Zuletzt verarmte er gänzlich, ſeine Burg verödete und verfiel; erfolgloſe und thörichte Stif¬ tungen und Schenkungsbriefe, welche er aus alter Gewohnheit immer noch zu ſchreiben nicht unterlaſſen konnte, trugen ihm nur Spott ein, und wenn er hie und da noch einen zerlumpten Bettler auf ſeine Burg locken konnte, ſo warf ihm dieſer das magere Süpp¬ chen, das er ihm vorſetzte, mit höhniſchen Schmäh¬ worten vor die Füße und machte ſich davon. Nur Eines blieb ſich immer gleich, die Schönheit ſeiner Frau Bertrade; ja, je öder es im Hauſe aus¬ ſah, deſto lichter ſchien dieſe Schönheit zu werden. Und auch an Huld, Liebe und Güte nahm ſie zu, je ärmer Gebizo wurde, ſo daß aller Segen des Him¬ mels ſich in dies Weib zu legen ſchien und tauſend Männer den Grafen um dieſen einen Schatz, der ihm noch übrig blieb, beneideten. Er allein ſah nichts von alledem, und jemehr ſich die holde Bertrade be¬ mühte, ihn aufzuheitern und ſeine Armuth zu ver¬ ſüßen, deſto geringer ſchätzte er dies Kleinod und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/46>, abgerufen am 18.04.2024.