schönes junges Weib zum Abte hat, des unseligsten Verdachtes und Gespöttes der böswilligen Heidenwelt gewärtig sein mußte. Diese Furcht und Ungewißheit hätte sie nicht empfunden, wenn sie, nach Mönchs¬ begriffen, noch reinen Herzens gewesen wäre; allein allbereits seit der letzten Nacht war der Zwiespalt in ihr Gemüth eingebrochen und selbst die unglückliche Begegnung mit dem schlimmen Weibe hatte sie noch mehr verwirrt, so daß sie nunmehr den Muth nicht fand, entschlossen aufzutreten und ein Wunder herbei¬ zuführen.
Doch als Aquilinus sie aufforderte, zu reden, erinnerte sie sich seiner Neigung zu ihr, und indem sie Vertrauen zu ihm faßte, verfiel sie auf eine Aus¬ flucht. Mit leisem und bescheidenem Tone sagte sie, sie sei nicht schuldig und wolle es dem Konsul be¬ weisen, wenn sie allein mit ihm sprechen dürfe. Der Klang ihrer Stimme rührte den Aquilinus, ohne daß er wußte warum, und er gab zu, daß sie unter vier Augen mit ihm reden möge. Er ließ sie des¬ halb in das Innere seines Hauses führen und ver¬ schloß sich dort allein mit ihr in ein Zimmer. Dort schlug Eugenia ihre Augen zu ihm auf, warf die Kapuze zurück und sagte: "Ich bin Eugenia, die du einst zur Frau begehrt hast!"
Sogleich erkannte er sie und war überzeugt, daß
ſchönes junges Weib zum Abte hat, des unſeligſten Verdachtes und Geſpöttes der böswilligen Heidenwelt gewärtig ſein mußte. Dieſe Furcht und Ungewißheit hätte ſie nicht empfunden, wenn ſie, nach Mönchs¬ begriffen, noch reinen Herzens geweſen wäre; allein allbereits ſeit der letzten Nacht war der Zwieſpalt in ihr Gemüth eingebrochen und ſelbſt die unglückliche Begegnung mit dem ſchlimmen Weibe hatte ſie noch mehr verwirrt, ſo daß ſie nunmehr den Muth nicht fand, entſchloſſen aufzutreten und ein Wunder herbei¬ zuführen.
Doch als Aquilinus ſie aufforderte, zu reden, erinnerte ſie ſich ſeiner Neigung zu ihr, und indem ſie Vertrauen zu ihm faßte, verfiel ſie auf eine Aus¬ flucht. Mit leiſem und beſcheidenem Tone ſagte ſie, ſie ſei nicht ſchuldig und wolle es dem Konſul be¬ weiſen, wenn ſie allein mit ihm ſprechen dürfe. Der Klang ihrer Stimme rührte den Aquilinus, ohne daß er wußte warum, und er gab zu, daß ſie unter vier Augen mit ihm reden möge. Er ließ ſie des¬ halb in das Innere ſeines Hauſes führen und ver¬ ſchloß ſich dort allein mit ihr in ein Zimmer. Dort ſchlug Eugenia ihre Augen zu ihm auf, warf die Kapuze zurück und ſagte: „Ich bin Eugenia, die du einſt zur Frau begehrt haſt!“
Sogleich erkannte er ſie und war überzeugt, daß
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ſchönes junges Weib zum Abte hat, des unſeligſten
Verdachtes und Geſpöttes der böswilligen Heidenwelt
gewärtig ſein mußte. Dieſe Furcht und Ungewißheit
hätte ſie nicht empfunden, wenn ſie, nach Mönchs¬
begriffen, noch reinen Herzens geweſen wäre; allein
allbereits ſeit der letzten Nacht war der Zwieſpalt in
ihr Gemüth eingebrochen und ſelbſt die unglückliche
Begegnung mit dem ſchlimmen Weibe hatte ſie noch
mehr verwirrt, ſo daß ſie nunmehr den Muth nicht
fand, entſchloſſen aufzutreten und ein Wunder herbei¬
zuführen.
Doch als Aquilinus ſie aufforderte, zu reden,
erinnerte ſie ſich ſeiner Neigung zu ihr, und indem
ſie Vertrauen zu ihm faßte, verfiel ſie auf eine Aus¬
flucht. Mit leiſem und beſcheidenem Tone ſagte ſie,
ſie ſei nicht ſchuldig und wolle es dem Konſul be¬
weiſen, wenn ſie allein mit ihm ſprechen dürfe. Der
Klang ihrer Stimme rührte den Aquilinus, ohne
daß er wußte warum, und er gab zu, daß ſie unter
vier Augen mit ihm reden möge. Er ließ ſie des¬
halb in das Innere ſeines Hauſes führen und ver¬
ſchloß ſich dort allein mit ihr in ein Zimmer. Dort
ſchlug Eugenia ihre Augen zu ihm auf, warf die
Kapuze zurück und ſagte: „Ich bin Eugenia, die du
einſt zur Frau begehrt haſt!“
Sogleich erkannte er ſie und war überzeugt, daß
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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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