Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

ärgsten Schandthat anzuklagen, wie er heuchlerischer
Weise in ihr Haus gekommen sei, um sich erst mit
Bekehrungsversuchen aufzudrängen und, nachdem diese
fehlgeschlagen, sie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬
ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬
sage bezeugte, ließ der entrüstete Aquilinus sofort das
Kloster mit Kriegsvolk besetzen und den Abt sammt
den Mönchen vor sich bringen, um sie zu richten.

"Ist das euer Beginnen, ihr niederträchtigen
Heuchler?" redete er sie mit strengem Tone an,
"sticht euch schon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum
geduldet, die Ehre unserer Frauen beleidigt und herum
schleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meister,
den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen
gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr seid ein
Haufen und eine Bande Elender, die sich öffentlich
einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben
zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen
die Anklage!"

Die schändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬
lerischen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre
lügenhafte Erzählung. Als sie geendigt und sich sitt¬
sam wieder in ihre Schleier hüllte, sahen die Mönche
voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an dessen
Tugend sie nicht zweifelten, und sie erhoben gemein¬
sam ihre Stimmen, um die falsche Anklage abzuwehren.

ärgſten Schandthat anzuklagen, wie er heuchleriſcher
Weiſe in ihr Haus gekommen ſei, um ſich erſt mit
Bekehrungsverſuchen aufzudrängen und, nachdem dieſe
fehlgeſchlagen, ſie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬
ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬
ſage bezeugte, ließ der entrüſtete Aquilinus ſofort das
Kloſter mit Kriegsvolk beſetzen und den Abt ſammt
den Mönchen vor ſich bringen, um ſie zu richten.

„Iſt das euer Beginnen, ihr niederträchtigen
Heuchler?“ redete er ſie mit ſtrengem Tone an,
„ſticht euch ſchon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum
geduldet, die Ehre unſerer Frauen beleidigt und herum
ſchleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meiſter,
den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen
gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr ſeid ein
Haufen und eine Bande Elender, die ſich öffentlich
einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben
zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen
die Anklage!“

Die ſchändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬
leriſchen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre
lügenhafte Erzählung. Als ſie geendigt und ſich ſitt¬
ſam wieder in ihre Schleier hüllte, ſahen die Mönche
voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an deſſen
Tugend ſie nicht zweifelten, und ſie erhoben gemein¬
ſam ihre Stimmen, um die falſche Anklage abzuwehren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="19"/>
ärg&#x017F;ten Schandthat anzuklagen, wie er heuchleri&#x017F;cher<lb/>
Wei&#x017F;e in ihr Haus gekommen &#x017F;ei, um &#x017F;ich er&#x017F;t mit<lb/>
Bekehrungsver&#x017F;uchen aufzudrängen und, nachdem die&#x017F;e<lb/>
fehlge&#x017F;chlagen, &#x017F;ie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬<lb/>
ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬<lb/>
&#x017F;age bezeugte, ließ der entrü&#x017F;tete Aquilinus &#x017F;ofort das<lb/>
Klo&#x017F;ter mit Kriegsvolk be&#x017F;etzen und den Abt &#x017F;ammt<lb/>
den Mönchen vor &#x017F;ich bringen, um &#x017F;ie zu richten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t das euer Beginnen, ihr niederträchtigen<lb/>
Heuchler?&#x201C; redete er &#x017F;ie mit &#x017F;trengem Tone an,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ticht euch &#x017F;chon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum<lb/>
geduldet, die Ehre un&#x017F;erer Frauen beleidigt und herum<lb/>
&#x017F;chleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Mei&#x017F;ter,<lb/>
den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen<lb/>
gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr &#x017F;eid ein<lb/>
Haufen und eine Bande Elender, die &#x017F;ich öffentlich<lb/>
einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben<lb/>
zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen<lb/>
die Anklage!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die &#x017F;chändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬<lb/>
leri&#x017F;chen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre<lb/>
lügenhafte Erzählung. Als &#x017F;ie geendigt und &#x017F;ich &#x017F;itt¬<lb/>
&#x017F;am wieder in ihre Schleier hüllte, &#x017F;ahen die Mönche<lb/>
voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Tugend &#x017F;ie nicht zweifelten, und &#x017F;ie erhoben gemein¬<lb/>
&#x017F;am ihre Stimmen, um die fal&#x017F;che Anklage abzuwehren.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] ärgſten Schandthat anzuklagen, wie er heuchleriſcher Weiſe in ihr Haus gekommen ſei, um ſich erſt mit Bekehrungsverſuchen aufzudrängen und, nachdem dieſe fehlgeſchlagen, ſie gewaltthätig ihrer Ehre zu berau¬ ben. Da ihr ganzes Gefolge die Wahrheit ihrer Aus¬ ſage bezeugte, ließ der entrüſtete Aquilinus ſofort das Kloſter mit Kriegsvolk beſetzen und den Abt ſammt den Mönchen vor ſich bringen, um ſie zu richten. „Iſt das euer Beginnen, ihr niederträchtigen Heuchler?“ redete er ſie mit ſtrengem Tone an, „ſticht euch ſchon dermaßen der Hafer, daß ihr, kaum geduldet, die Ehre unſerer Frauen beleidigt und herum ſchleicht, wie die reißenden Wölfe? Hat euer Meiſter, den ich mehr achte, als ihr Lügner! euch dergleichen gelehrt oder geboten? Mit Nichten! Ihr ſeid ein Haufen und eine Bande Elender, die ſich öffentlich einen Namen geben, um im Stillen dem Verderben zu fröhnen! Vertheidigt euch, wenn ihr könnt, gegen die Anklage!“ Die ſchändliche Wittwe wiederholte jetzt, von heuch¬ leriſchen Seufzern und Thränen unterbrochen, ihre lügenhafte Erzählung. Als ſie geendigt und ſich ſitt¬ ſam wieder in ihre Schleier hüllte, ſahen die Mönche voll Furcht einander an und auf ihren Abt, an deſſen Tugend ſie nicht zweifelten, und ſie erhoben gemein¬ ſam ihre Stimmen, um die falſche Anklage abzuwehren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/33
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/33>, abgerufen am 24.11.2024.