Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Knaben oder drei frischblühende Jungfrauen vor sich Vor dieses Tribunal trat nun der männliche Eugenia lächelte unmerklich und erröthete nicht "Dein Wunsch, o Aquilinus, mich zur Gattin zu Knaben oder drei friſchblühende Jungfrauen vor ſich Vor dieſes Tribunal trat nun der männliche Eugenia lächelte unmerklich und erröthete nicht „Dein Wunſch, o Aquilinus, mich zur Gattin zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="6"/> Knaben oder drei friſchblühende Jungfrauen vor ſich<lb/> ſehe.</p><lb/> <p>Vor dieſes Tribunal trat nun der männliche<lb/> Aquilinus in einfacher würdiger Toga und hätte am<lb/> liebſten in traulicher und zärtlicher Weiſe ſeiner Lei¬<lb/> denſchaft Worte gegeben; da er aber ſah, daß Eugenia<lb/> die Jünglinge nicht fortſchickte, ſo ließ er ſich ihr<lb/> gegenüber auf einen Stuhl nieder und that ihr ſeine<lb/> Bewerbung in wenigen feſten Worten kund, wobei er<lb/> ſich ſelbſt bezwingen mußte, weil er ſeine Augen un¬<lb/> verwandt auf ſie gerichtet hielt und ihren großen<lb/> Liebreiz ſah.</p><lb/> <p>Eugenia lächelte unmerklich und erröthete nicht<lb/> einmal, ſo ſehr hatte ihre Wiſſenſchaft und Geiſtes¬<lb/> bildung alle feinern Regungen des gewöhnlichen Le¬<lb/> bens in ihr gebunden. Dafür nahm ſie ein ernſtes,<lb/> tiefſinniges Ausſehen an und erwiederte ihm:</p><lb/> <p>„Dein Wunſch, o Aquilinus, mich zur Gattin zu<lb/> nehmen, ehrt mich in hohem Grade, kann mich aber nicht<lb/> zu einer Unweisheit hinreißen; und eine ſolche wäre<lb/> es zu nennen, wenn wir, ohne uns zu prüfen, dem<lb/> erſten rohen Antriebe folgen würden. Die erſte Be¬<lb/> dingung, welche ich von einem etwaigen Gemahl for¬<lb/> dern müßte, iſt, daß er mein Geiſtesleben und Stre¬<lb/> ben verſteht und ehrt und an demſelben theilnimmt!<lb/> So biſt du mir denn willkommen, wenn du öfter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0020]
Knaben oder drei friſchblühende Jungfrauen vor ſich
ſehe.
Vor dieſes Tribunal trat nun der männliche
Aquilinus in einfacher würdiger Toga und hätte am
liebſten in traulicher und zärtlicher Weiſe ſeiner Lei¬
denſchaft Worte gegeben; da er aber ſah, daß Eugenia
die Jünglinge nicht fortſchickte, ſo ließ er ſich ihr
gegenüber auf einen Stuhl nieder und that ihr ſeine
Bewerbung in wenigen feſten Worten kund, wobei er
ſich ſelbſt bezwingen mußte, weil er ſeine Augen un¬
verwandt auf ſie gerichtet hielt und ihren großen
Liebreiz ſah.
Eugenia lächelte unmerklich und erröthete nicht
einmal, ſo ſehr hatte ihre Wiſſenſchaft und Geiſtes¬
bildung alle feinern Regungen des gewöhnlichen Le¬
bens in ihr gebunden. Dafür nahm ſie ein ernſtes,
tiefſinniges Ausſehen an und erwiederte ihm:
„Dein Wunſch, o Aquilinus, mich zur Gattin zu
nehmen, ehrt mich in hohem Grade, kann mich aber nicht
zu einer Unweisheit hinreißen; und eine ſolche wäre
es zu nennen, wenn wir, ohne uns zu prüfen, dem
erſten rohen Antriebe folgen würden. Die erſte Be¬
dingung, welche ich von einem etwaigen Gemahl for¬
dern müßte, iſt, daß er mein Geiſtesleben und Stre¬
ben verſteht und ehrt und an demſelben theilnimmt!
So biſt du mir denn willkommen, wenn du öfter
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