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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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nicht mißverstehen könne. Da sie jedoch unfähig war,
ihrem froh erregten Lächeln jenen Zug von Spott
über den genannten Abwesenden beizumischen, welcher
den Scherz deutlich gemacht hätte, so glaubte Theo¬
philus fest, ihre holde ehrliche Freude gelte nur dem
Geschenk und dessen Geber und er sei arg in eine
Falle gegangen, indem er einen Kreis übertreten, der
schon geschlossen und ihm fremd sei. Stumm und
beschämt schlug er die Augen nieder, fing an zu zit¬
tern und ließ das glänzende Schaustück zu Boden
fallen, wo es in Stücke zersprang.

Im ersten Schreck vergaß Dorothea ihren Scherz
gänzlich und auch ein wenig den Theophilus und
bückte sich nur bekümmert nach den Scherben, indem
sie rief: "Wie ungeschickt!" ohne ihn anzusehen, so daß
sie jene Veränderung in seinem Gesichte nicht bemerkte
und keine Ahnung von seinem Mißverständnisse hatte.

Als sie sich wieder aufrichtete und sich schnell
fassend zu ihm wendete, hatte sich Theophilus schon
stolz zusammengerafft. Finster und gleichgültig drein
schauend, blickte er sie an, bat sie beinahe spöttisch
um Verzeihung, einen vollen Ersatz für das verun¬
glückte Gefäß verheißend, grüßte und verließ den
Garten.

Erblassend und traurig sah sie seiner schlanken
Gestalt nach, welche die weiße Toga fest an sich zog

nicht mißverſtehen könne. Da ſie jedoch unfähig war,
ihrem froh erregten Lächeln jenen Zug von Spott
über den genannten Abweſenden beizumiſchen, welcher
den Scherz deutlich gemacht hätte, ſo glaubte Theo¬
philus feſt, ihre holde ehrliche Freude gelte nur dem
Geſchenk und deſſen Geber und er ſei arg in eine
Falle gegangen, indem er einen Kreis übertreten, der
ſchon geſchloſſen und ihm fremd ſei. Stumm und
beſchämt ſchlug er die Augen nieder, fing an zu zit¬
tern und ließ das glänzende Schauſtück zu Boden
fallen, wo es in Stücke zerſprang.

Im erſten Schreck vergaß Dorothea ihren Scherz
gänzlich und auch ein wenig den Theophilus und
bückte ſich nur bekümmert nach den Scherben, indem
ſie rief: „Wie ungeſchickt!“ ohne ihn anzuſehen, ſo daß
ſie jene Veränderung in ſeinem Geſichte nicht bemerkte
und keine Ahnung von ſeinem Mißverſtändniſſe hatte.

Als ſie ſich wieder aufrichtete und ſich ſchnell
faſſend zu ihm wendete, hatte ſich Theophilus ſchon
ſtolz zuſammengerafft. Finſter und gleichgültig drein
ſchauend, blickte er ſie an, bat ſie beinahe ſpöttiſch
um Verzeihung, einen vollen Erſatz für das verun¬
glückte Gefäß verheißend, grüßte und verließ den
Garten.

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[127/0141] nicht mißverſtehen könne. Da ſie jedoch unfähig war, ihrem froh erregten Lächeln jenen Zug von Spott über den genannten Abweſenden beizumiſchen, welcher den Scherz deutlich gemacht hätte, ſo glaubte Theo¬ philus feſt, ihre holde ehrliche Freude gelte nur dem Geſchenk und deſſen Geber und er ſei arg in eine Falle gegangen, indem er einen Kreis übertreten, der ſchon geſchloſſen und ihm fremd ſei. Stumm und beſchämt ſchlug er die Augen nieder, fing an zu zit¬ tern und ließ das glänzende Schauſtück zu Boden fallen, wo es in Stücke zerſprang. Im erſten Schreck vergaß Dorothea ihren Scherz gänzlich und auch ein wenig den Theophilus und bückte ſich nur bekümmert nach den Scherben, indem ſie rief: „Wie ungeſchickt!“ ohne ihn anzuſehen, ſo daß ſie jene Veränderung in ſeinem Geſichte nicht bemerkte und keine Ahnung von ſeinem Mißverſtändniſſe hatte. Als ſie ſich wieder aufrichtete und ſich ſchnell faſſend zu ihm wendete, hatte ſich Theophilus ſchon ſtolz zuſammengerafft. Finſter und gleichgültig drein ſchauend, blickte er ſie an, bat ſie beinahe ſpöttiſch um Verzeihung, einen vollen Erſatz für das verun¬ glückte Gefäß verheißend, grüßte und verließ den Garten. Erblaſſend und traurig ſah ſie ſeiner ſchlanken Geſtalt nach, welche die weiße Toga feſt an ſich zog

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/141>, abgerufen am 23.11.2024.