aufmerksam zu und ihr Anblick übte einen erheblichen Einfluß auf die Wahl seiner Worte, ohne daß er dessen inne ward, da die Schönheit und Feinheit des zu bekehrenden Gegenstandes wie von selbst eine er¬ höhte Beredtsamkeit hervorrief. Allein da es ihr nicht im mindesten ernst war mit dem, was sie frevelhafter Weise vorgab, so konnte die Rede des Mönches sie auch nicht sehr erschüttern; ein liebliches Lachen schwebte vielmehr um ihren Mund, und als er geendigt und sich erwartungsvoll den Schweiß von der Stirne wischte, sagte Jole: "Ich bin nur halb gerührt von deinen Worten und kann mich nicht entschließen, mein Vorhaben aufzugeben; denn ich bin allzuneugierig, wie es sich in Lust und Sünden lebe!"
Wie versteinert stand Vitalis da und wußte nicht ein einziges Wort hervorzubringen. Es war das erste Mal, daß ihm seine Bekehrungskunst so rund fehlgeschlagen. Seufzend und nachsinnend ging er im Gemach auf und nieder und besah dann wieder die kleine Höllenkandidatin. Die Kraft des Teufels schien sich hier auf unheimliche Weise mit der Kraft der Unschuld zu verbinden, um ihm zu widerstehen. Aber um so leidenschaftlicher gedachte er dennoch obzusiegen.
"Ich geh' nicht von der Stelle," rief er endlich, "bis du bereust, und sollt' ich drei Tage und drei Nächte hier zubringen!"
aufmerkſam zu und ihr Anblick übte einen erheblichen Einfluß auf die Wahl ſeiner Worte, ohne daß er deſſen inne ward, da die Schönheit und Feinheit des zu bekehrenden Gegenſtandes wie von ſelbſt eine er¬ höhte Beredtſamkeit hervorrief. Allein da es ihr nicht im mindeſten ernſt war mit dem, was ſie frevelhafter Weiſe vorgab, ſo konnte die Rede des Mönches ſie auch nicht ſehr erſchüttern; ein liebliches Lachen ſchwebte vielmehr um ihren Mund, und als er geendigt und ſich erwartungsvoll den Schweiß von der Stirne wiſchte, ſagte Jole: „Ich bin nur halb gerührt von deinen Worten und kann mich nicht entſchließen, mein Vorhaben aufzugeben; denn ich bin allzuneugierig, wie es ſich in Luſt und Sünden lebe!“
Wie verſteinert ſtand Vitalis da und wußte nicht ein einziges Wort hervorzubringen. Es war das erſte Mal, daß ihm ſeine Bekehrungskunſt ſo rund fehlgeſchlagen. Seufzend und nachſinnend ging er im Gemach auf und nieder und beſah dann wieder die kleine Höllenkandidatin. Die Kraft des Teufels ſchien ſich hier auf unheimliche Weiſe mit der Kraft der Unſchuld zu verbinden, um ihm zu widerſtehen. Aber um ſo leidenſchaftlicher gedachte er dennoch obzuſiegen.
„Ich geh' nicht von der Stelle,“ rief er endlich, „bis du bereuſt, und ſollt' ich drei Tage und drei Nächte hier zubringen!“
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aufmerkſam zu und ihr Anblick übte einen erheblichen
Einfluß auf die Wahl ſeiner Worte, ohne daß er
deſſen inne ward, da die Schönheit und Feinheit des
zu bekehrenden Gegenſtandes wie von ſelbſt eine er¬
höhte Beredtſamkeit hervorrief. Allein da es ihr nicht
im mindeſten ernſt war mit dem, was ſie frevelhafter
Weiſe vorgab, ſo konnte die Rede des Mönches ſie auch
nicht ſehr erſchüttern; ein liebliches Lachen ſchwebte
vielmehr um ihren Mund, und als er geendigt und
ſich erwartungsvoll den Schweiß von der Stirne
wiſchte, ſagte Jole: „Ich bin nur halb gerührt von
deinen Worten und kann mich nicht entſchließen, mein
Vorhaben aufzugeben; denn ich bin allzuneugierig,
wie es ſich in Luſt und Sünden lebe!“
Wie verſteinert ſtand Vitalis da und wußte nicht
ein einziges Wort hervorzubringen. Es war das
erſte Mal, daß ihm ſeine Bekehrungskunſt ſo rund
fehlgeſchlagen. Seufzend und nachſinnend ging er im
Gemach auf und nieder und beſah dann wieder die
kleine Höllenkandidatin. Die Kraft des Teufels ſchien
ſich hier auf unheimliche Weiſe mit der Kraft der
Unſchuld zu verbinden, um ihm zu widerſtehen. Aber
um ſo leidenſchaftlicher gedachte er dennoch obzuſiegen.
„Ich geh' nicht von der Stelle,“ rief er endlich,
„bis du bereuſt, und ſollt' ich drei Tage und drei
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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/119>, abgerufen am 16.07.2024.
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