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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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klopfte ihm stark und lebendig, und indem ihm
fortwährend neue Witze einfielen, über die er la¬
chen mußte, traten ihm zugleich Thränen in die
Augen, so sehr freute er sich darauf, ihr nun end¬
lich gegenüber zu sein und mit ihr zu plaudern.

Aber es fand sich, daß Dortchen schon am
Sonnabend viele Meilen weit weggefahren war,
um eine Freundin zu besuchen, und wenigstens drei
Wochen lang wegbleiben wollte. Hilf Himmel!
welch' ein Donnerschlag! Der ganze schöne Sonn¬
tagsfrühling in Heinrich's Brust war mit einem
Zuge weggewischt, die Narrheiten und Witze
tauchten unverweilt ihre Köpfe spurlos unter die
Fluth der dunkelsten Gesinnung und der blaue
Himmel ward schwarz wie die Nacht vor Hein¬
rich's Augen. Das Erste, was er that, war, daß
er wohl zwanzigmal den Weg vom Garten nach
dem Kirchhofe hin und zurück ging, und er drückte
sich dabei genau an die Kante des Pfades, an
welcher Dortchen hinzustreifen pflegte mit dem
Saum ihres Gewandes. Aber auf diesen Statio¬
nen brachte er weiter nichts heraus, als daß das
alte Elend mit verstärkter Gewalt wieder da war

klopfte ihm ſtark und lebendig, und indem ihm
fortwaͤhrend neue Witze einfielen, uͤber die er la¬
chen mußte, traten ihm zugleich Thraͤnen in die
Augen, ſo ſehr freute er ſich darauf, ihr nun end¬
lich gegenuͤber zu ſein und mit ihr zu plaudern.

Aber es fand ſich, daß Dortchen ſchon am
Sonnabend viele Meilen weit weggefahren war,
um eine Freundin zu beſuchen, und wenigſtens drei
Wochen lang wegbleiben wollte. Hilf Himmel!
welch' ein Donnerſchlag! Der ganze ſchoͤne Sonn¬
tagsfruͤhling in Heinrich's Bruſt war mit einem
Zuge weggewiſcht, die Narrheiten und Witze
tauchten unverweilt ihre Koͤpfe ſpurlos unter die
Fluth der dunkelſten Geſinnung und der blaue
Himmel ward ſchwarz wie die Nacht vor Hein¬
rich's Augen. Das Erſte, was er that, war, daß
er wohl zwanzigmal den Weg vom Garten nach
dem Kirchhofe hin und zuruͤck ging, und er druͤckte
ſich dabei genau an die Kante des Pfades, an
welcher Dortchen hinzuſtreifen pflegte mit dem
Saum ihres Gewandes. Aber auf dieſen Statio¬
nen brachte er weiter nichts heraus, als daß das
alte Elend mit verſtaͤrkter Gewalt wieder da war

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[413/0423] klopfte ihm ſtark und lebendig, und indem ihm fortwaͤhrend neue Witze einfielen, uͤber die er la¬ chen mußte, traten ihm zugleich Thraͤnen in die Augen, ſo ſehr freute er ſich darauf, ihr nun end¬ lich gegenuͤber zu ſein und mit ihr zu plaudern. Aber es fand ſich, daß Dortchen ſchon am Sonnabend viele Meilen weit weggefahren war, um eine Freundin zu beſuchen, und wenigſtens drei Wochen lang wegbleiben wollte. Hilf Himmel! welch' ein Donnerſchlag! Der ganze ſchoͤne Sonn¬ tagsfruͤhling in Heinrich's Bruſt war mit einem Zuge weggewiſcht, die Narrheiten und Witze tauchten unverweilt ihre Koͤpfe ſpurlos unter die Fluth der dunkelſten Geſinnung und der blaue Himmel ward ſchwarz wie die Nacht vor Hein¬ rich's Augen. Das Erſte, was er that, war, daß er wohl zwanzigmal den Weg vom Garten nach dem Kirchhofe hin und zuruͤck ging, und er druͤckte ſich dabei genau an die Kante des Pfades, an welcher Dortchen hinzuſtreifen pflegte mit dem Saum ihres Gewandes. Aber auf dieſen Statio¬ nen brachte er weiter nichts heraus, als daß das alte Elend mit verſtaͤrkter Gewalt wieder da war

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/423>, abgerufen am 26.11.2024.