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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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den an der Seite dieses guten und liebenswer¬
then Frauenzimmers. Heftig schritt er in dem
kühlen Schatten umher und fühlte sein Herz
ganz gewaltig schwellen und er kam sich im höch¬
sten Grade glückselig und deshalb liebenswürdig
vor. Aber auf dem obersten Gipfel dieser schö¬
nen Einbildungen ließ er den Kopf urplötzlich
sinken, indem es ihm unvermuthet einfiel, daß
dergleichen unbefangene Scherze, frohes Beneh¬
men und Zutraulichkeit ja eben die Kennzeichen
und Sitten feiner, natürlicher und wohlgearteter
Menschen und einer glücklichen heiteren Gesellig¬
keit wären, welche Jeden, den sie einmal arglos
aufgenommen und zu kennen glaubt, auch ohne
Arg mit ganzer Freundlichkeit behandelt; daß es
ebensowohl das Kennzeichen der Grobheit und
Ungezogenheit wäre, zum Danke für solche feine
Freundlichkeit sogleich das Auge auf die Inhabe¬
rinnen derselben zu werfen und ihre Person mit
unverschämten und eigenmächtigen Gedanken in
Beschlag zu nehmen. So hoch diese sich vorhin
verstiegen hatten, um so tiefere Demuth befiel
[i]hn jetzt und er beschloß in derselben, die Schönste

den an der Seite dieſes guten und liebenswer¬
then Frauenzimmers. Heftig ſchritt er in dem
kuͤhlen Schatten umher und fuͤhlte ſein Herz
ganz gewaltig ſchwellen und er kam ſich im hoͤch¬
ſten Grade gluͤckſelig und deshalb liebenswuͤrdig
vor. Aber auf dem oberſten Gipfel dieſer ſchoͤ¬
nen Einbildungen ließ er den Kopf urploͤtzlich
ſinken, indem es ihm unvermuthet einfiel, daß
dergleichen unbefangene Scherze, frohes Beneh¬
men und Zutraulichkeit ja eben die Kennzeichen
und Sitten feiner, natuͤrlicher und wohlgearteter
Menſchen und einer gluͤcklichen heiteren Geſellig¬
keit waͤren, welche Jeden, den ſie einmal arglos
aufgenommen und zu kennen glaubt, auch ohne
Arg mit ganzer Freundlichkeit behandelt; daß es
ebenſowohl das Kennzeichen der Grobheit und
Ungezogenheit waͤre, zum Danke fuͤr ſolche feine
Freundlichkeit ſogleich das Auge auf die Inhabe¬
rinnen derſelben zu werfen und ihre Perſon mit
unverſchaͤmten und eigenmaͤchtigen Gedanken in
Beſchlag zu nehmen. So hoch dieſe ſich vorhin
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[i]hn jetzt und er beſchloß in derſelben, die Schoͤnſte

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[356/0366] den an der Seite dieſes guten und liebenswer¬ then Frauenzimmers. Heftig ſchritt er in dem kuͤhlen Schatten umher und fuͤhlte ſein Herz ganz gewaltig ſchwellen und er kam ſich im hoͤch¬ ſten Grade gluͤckſelig und deshalb liebenswuͤrdig vor. Aber auf dem oberſten Gipfel dieſer ſchoͤ¬ nen Einbildungen ließ er den Kopf urploͤtzlich ſinken, indem es ihm unvermuthet einfiel, daß dergleichen unbefangene Scherze, frohes Beneh¬ men und Zutraulichkeit ja eben die Kennzeichen und Sitten feiner, natuͤrlicher und wohlgearteter Menſchen und einer gluͤcklichen heiteren Geſellig¬ keit waͤren, welche Jeden, den ſie einmal arglos aufgenommen und zu kennen glaubt, auch ohne Arg mit ganzer Freundlichkeit behandelt; daß es ebenſowohl das Kennzeichen der Grobheit und Ungezogenheit waͤre, zum Danke fuͤr ſolche feine Freundlichkeit ſogleich das Auge auf die Inhabe¬ rinnen derſelben zu werfen und ihre Perſon mit unverſchaͤmten und eigenmaͤchtigen Gedanken in Beſchlag zu nehmen. So hoch dieſe ſich vorhin verſtiegen hatten, um ſo tiefere Demuth befiel ihn jetzt und er beſchloß in derſelben, die Schoͤnſte

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/366>, abgerufen am 21.11.2024.