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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Wege überzog. Heinrich ging unverdrossen durch
die Fluthen, welche längst seine Kleider durchdran¬
gen, in den Nacken strömten und aus den Rock¬
ärmeln heraus liefen. Einen Bauernknecht auf
dem Felde fragte er nun nach der Gegend und
vernahm, daß er im Allgemeinen die rechte Rich¬
tung innegehalten und nur um einige Stunden
seitwärts gerathen sei. Er sah mit Seufzen ein,
daß er unmöglich in Einem Zuge nach der Hei¬
math gelangen könne, ohne etwas zu essen; doch
berechnete er, daß er bis zum nächsten Tage eine
Landschaft erreichen müsse, wo seiner dunklen Er¬
innerung nach schon etwas Obst wuchs, daß er
gefallene Früchte suchen, sich leiblich stärken und
unter irgend einer Feldscheune ruhen könne,
um dann in einem zweiten Anlauf die Schweizer¬
gränze zu erreichen, wo er heimisch und geborgen
war. Doch schon um die Mittagszeit, als er
durch ein triefendes Gehölz ging und es rings im
Lande Mittag läutete, schien ihm der Hunger und
die Ermattung unerträglich und er setzte sich rath¬
los auf einen nassen Steinblock. Da kam ein
altes Mütterchen daher getrippelt, welches mit der

Wege uͤberzog. Heinrich ging unverdroſſen durch
die Fluthen, welche laͤngſt ſeine Kleider durchdran¬
gen, in den Nacken ſtroͤmten und aus den Rock¬
aͤrmeln heraus liefen. Einen Bauernknecht auf
dem Felde fragte er nun nach der Gegend und
vernahm, daß er im Allgemeinen die rechte Rich¬
tung innegehalten und nur um einige Stunden
ſeitwaͤrts gerathen ſei. Er ſah mit Seufzen ein,
daß er unmoͤglich in Einem Zuge nach der Hei¬
math gelangen koͤnne, ohne etwas zu eſſen; doch
berechnete er, daß er bis zum naͤchſten Tage eine
Landſchaft erreichen muͤſſe, wo ſeiner dunklen Er¬
innerung nach ſchon etwas Obſt wuchs, daß er
gefallene Fruͤchte ſuchen, ſich leiblich ſtaͤrken und
unter irgend einer Feldſcheune ruhen koͤnne,
um dann in einem zweiten Anlauf die Schweizer¬
graͤnze zu erreichen, wo er heimiſch und geborgen
war. Doch ſchon um die Mittagszeit, als er
durch ein triefendes Gehoͤlz ging und es rings im
Lande Mittag laͤutete, ſchien ihm der Hunger und
die Ermattung unertraͤglich und er ſetzte ſich rath¬
los auf einen naſſen Steinblock. Da kam ein
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[278/0288] Wege uͤberzog. Heinrich ging unverdroſſen durch die Fluthen, welche laͤngſt ſeine Kleider durchdran¬ gen, in den Nacken ſtroͤmten und aus den Rock¬ aͤrmeln heraus liefen. Einen Bauernknecht auf dem Felde fragte er nun nach der Gegend und vernahm, daß er im Allgemeinen die rechte Rich¬ tung innegehalten und nur um einige Stunden ſeitwaͤrts gerathen ſei. Er ſah mit Seufzen ein, daß er unmoͤglich in Einem Zuge nach der Hei¬ math gelangen koͤnne, ohne etwas zu eſſen; doch berechnete er, daß er bis zum naͤchſten Tage eine Landſchaft erreichen muͤſſe, wo ſeiner dunklen Er¬ innerung nach ſchon etwas Obſt wuchs, daß er gefallene Fruͤchte ſuchen, ſich leiblich ſtaͤrken und unter irgend einer Feldſcheune ruhen koͤnne, um dann in einem zweiten Anlauf die Schweizer¬ graͤnze zu erreichen, wo er heimiſch und geborgen war. Doch ſchon um die Mittagszeit, als er durch ein triefendes Gehoͤlz ging und es rings im Lande Mittag laͤutete, ſchien ihm der Hunger und die Ermattung unertraͤglich und er ſetzte ſich rath¬ los auf einen naſſen Steinblock. Da kam ein altes Muͤtterchen daher getrippelt, welches mit der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/288>, abgerufen am 25.11.2024.