Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

gedeckt und mit einer duftenden vollaufgerüsteten
Mahlzeit besetzt, an welche aber Niemand rührte.
Heinrich konnte kaum erwarten, bis man sich zu
Tische setze, so wässerte ihm der Mund, und un¬
terdessen sagte er zum Oheim: Ei, Ihr scheint
es Euch da recht wohl sein zu lassen! "Versteht
sich!" sagte der, und Alle wiederholten: "Versteht
sich!" mit angenehm klingender Stimme.

Plötzlich befahl der Oheim, daß man zu Tische
sitze, und Alle stellten die Pfeifen pyramidenweise
zusammen auf den Boden, je drei und drei, wie
die Soldaten die Gewehre. Darauf schienen sie
unversehens wieder zu vergessen, daß sie sich
eigentlich zu Tisch setzen wollten zum großen
Verdruß Heinrich's; denn sie gingen nun ohne
die Pfeifen wieder umher und fingen allmälig an
zu singen, und Heinrich sang mit:

Wir träumen, wir träumen,
Wir träumen, träumen, träumen,
Wir säumen, träumen, säumen,
Wir eilen und wir weilen,
Wir weilen und wir eilen,
Sind da und sind doch dort,

gedeckt und mit einer duftenden vollaufgeruͤſteten
Mahlzeit beſetzt, an welche aber Niemand ruͤhrte.
Heinrich konnte kaum erwarten, bis man ſich zu
Tiſche ſetze, ſo waͤſſerte ihm der Mund, und un¬
terdeſſen ſagte er zum Oheim: Ei, Ihr ſcheint
es Euch da recht wohl ſein zu laſſen! »Verſteht
ſich!« ſagte der, und Alle wiederholten: »Verſteht
ſich!« mit angenehm klingender Stimme.

Ploͤtzlich befahl der Oheim, daß man zu Tiſche
ſitze, und Alle ſtellten die Pfeifen pyramidenweiſe
zuſammen auf den Boden, je drei und drei, wie
die Soldaten die Gewehre. Darauf ſchienen ſie
unverſehens wieder zu vergeſſen, daß ſie ſich
eigentlich zu Tiſch ſetzen wollten zum großen
Verdruß Heinrich's; denn ſie gingen nun ohne
die Pfeifen wieder umher und fingen allmaͤlig an
zu ſingen, und Heinrich ſang mit:

Wir traͤumen, wir traͤumen,
Wir traͤumen, traͤumen, traͤumen,
Wir ſaͤumen, traͤumen, ſaͤumen,
Wir eilen und wir weilen,
Wir weilen und wir eilen,
Sind da und ſind doch dort,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="230"/>
gedeckt und mit einer duftenden vollaufgeru&#x0364;&#x017F;teten<lb/>
Mahlzeit be&#x017F;etzt, an welche aber Niemand ru&#x0364;hrte.<lb/>
Heinrich konnte kaum erwarten, bis man &#x017F;ich zu<lb/>
Ti&#x017F;che &#x017F;etze, &#x017F;o wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erte ihm der Mund, und un¬<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;agte er zum Oheim: Ei, Ihr &#x017F;cheint<lb/>
es Euch da recht wohl &#x017F;ein zu la&#x017F;&#x017F;en! »Ver&#x017F;teht<lb/>
&#x017F;ich!« &#x017F;agte der, und Alle wiederholten: »Ver&#x017F;teht<lb/>
&#x017F;ich!« mit angenehm klingender Stimme.</p><lb/>
        <p>Plo&#x0364;tzlich befahl der Oheim, daß man zu Ti&#x017F;che<lb/>
&#x017F;itze, und Alle &#x017F;tellten die Pfeifen pyramidenwei&#x017F;e<lb/>
zu&#x017F;ammen auf den Boden, je drei und drei, wie<lb/>
die Soldaten die Gewehre. Darauf &#x017F;chienen &#x017F;ie<lb/>
unver&#x017F;ehens wieder zu verge&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
eigentlich zu Ti&#x017F;ch &#x017F;etzen wollten zum großen<lb/>
Verdruß Heinrich's; denn &#x017F;ie gingen nun ohne<lb/>
die Pfeifen wieder umher und fingen allma&#x0364;lig an<lb/>
zu &#x017F;ingen, und Heinrich &#x017F;ang mit:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Wir tra&#x0364;umen, wir tra&#x0364;umen,</l><lb/>
          <l>Wir tra&#x0364;umen, tra&#x0364;umen, tra&#x0364;umen,</l><lb/>
          <l>Wir &#x017F;a&#x0364;umen, tra&#x0364;umen, &#x017F;a&#x0364;umen,</l><lb/>
          <l>Wir eilen und wir weilen,</l><lb/>
          <l>Wir weilen und wir eilen,</l><lb/>
          <l>Sind da und &#x017F;ind doch dort,</l><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0240] gedeckt und mit einer duftenden vollaufgeruͤſteten Mahlzeit beſetzt, an welche aber Niemand ruͤhrte. Heinrich konnte kaum erwarten, bis man ſich zu Tiſche ſetze, ſo waͤſſerte ihm der Mund, und un¬ terdeſſen ſagte er zum Oheim: Ei, Ihr ſcheint es Euch da recht wohl ſein zu laſſen! »Verſteht ſich!« ſagte der, und Alle wiederholten: »Verſteht ſich!« mit angenehm klingender Stimme. Ploͤtzlich befahl der Oheim, daß man zu Tiſche ſitze, und Alle ſtellten die Pfeifen pyramidenweiſe zuſammen auf den Boden, je drei und drei, wie die Soldaten die Gewehre. Darauf ſchienen ſie unverſehens wieder zu vergeſſen, daß ſie ſich eigentlich zu Tiſch ſetzen wollten zum großen Verdruß Heinrich's; denn ſie gingen nun ohne die Pfeifen wieder umher und fingen allmaͤlig an zu ſingen, und Heinrich ſang mit: Wir traͤumen, wir traͤumen, Wir traͤumen, traͤumen, traͤumen, Wir ſaͤumen, traͤumen, ſaͤumen, Wir eilen und wir weilen, Wir weilen und wir eilen, Sind da und ſind doch dort,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/240
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/240>, abgerufen am 25.11.2024.