schenswertheste und höchste Gut, welches doch wiederum durch eine seltsame künstlerische Ge¬ wissenhaftigkeit in eine ungewisse, fast unerreich¬ bare Ferne gerückt wurde, durch die künstlerische Gewissenhaftigkeit nicht etwa des Malers, sondern des Menschen, welchem es unmöglich erschien, ohne Grund und Abschluß, ohne das Verdienst eines erreichten Lebens jenes Glück vom Zaune zu brechen und gewaltsam herbeizuführen.
Allein das heiße Verlangen nach diesem so einfachen und natürlichen Gute wirkte so mächtig in ihm, daß in tiefer Nacht, wenn der Schlaf ihn endlich heimgesucht, eine schöpferische Traum¬ welt lebendig wurde und durch die glühendsten Farben, durch den reichsten Gestaltenwechsel und durch die seligsten, mit dem allerausgesuchtesten Leide gepaarten Empfindungen den Schlafenden beglückte, mit ihrer Nacherinnerung aber auch den Wachen für alles Uebel vollkommen schadlos hielt und das Unerträgliche erträglich machte, ja sogar zu einer Art von bemerkenswerthem Glücke um¬ wandelte.
Ganz wie es ihm einst Römer, sein unkluger
ſchenswertheſte und hoͤchſte Gut, welches doch wiederum durch eine ſeltſame kuͤnſtleriſche Ge¬ wiſſenhaftigkeit in eine ungewiſſe, faſt unerreich¬ bare Ferne geruͤckt wurde, durch die kuͤnſtleriſche Gewiſſenhaftigkeit nicht etwa des Malers, ſondern des Menſchen, welchem es unmoͤglich erſchien, ohne Grund und Abſchluß, ohne das Verdienſt eines erreichten Lebens jenes Gluͤck vom Zaune zu brechen und gewaltſam herbeizufuͤhren.
Allein das heiße Verlangen nach dieſem ſo einfachen und natuͤrlichen Gute wirkte ſo maͤchtig in ihm, daß in tiefer Nacht, wenn der Schlaf ihn endlich heimgeſucht, eine ſchoͤpferiſche Traum¬ welt lebendig wurde und durch die gluͤhendſten Farben, durch den reichſten Geſtaltenwechſel und durch die ſeligſten, mit dem allerausgeſuchteſten Leide gepaarten Empfindungen den Schlafenden begluͤckte, mit ihrer Nacherinnerung aber auch den Wachen fuͤr alles Uebel vollkommen ſchadlos hielt und das Unertraͤgliche ertraͤglich machte, ja ſogar zu einer Art von bemerkenswerthem Gluͤcke um¬ wandelte.
Ganz wie es ihm einſt Roͤmer, ſein unkluger
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ſchenswertheſte und hoͤchſte Gut, welches doch
wiederum durch eine ſeltſame kuͤnſtleriſche Ge¬
wiſſenhaftigkeit in eine ungewiſſe, faſt unerreich¬
bare Ferne geruͤckt wurde, durch die kuͤnſtleriſche
Gewiſſenhaftigkeit nicht etwa des Malers, ſondern
des Menſchen, welchem es unmoͤglich erſchien,
ohne Grund und Abſchluß, ohne das Verdienſt
eines erreichten Lebens jenes Gluͤck vom Zaune
zu brechen und gewaltſam herbeizufuͤhren.
Allein das heiße Verlangen nach dieſem ſo
einfachen und natuͤrlichen Gute wirkte ſo maͤchtig
in ihm, daß in tiefer Nacht, wenn der Schlaf
ihn endlich heimgeſucht, eine ſchoͤpferiſche Traum¬
welt lebendig wurde und durch die gluͤhendſten
Farben, durch den reichſten Geſtaltenwechſel und
durch die ſeligſten, mit dem allerausgeſuchteſten
Leide gepaarten Empfindungen den Schlafenden
begluͤckte, mit ihrer Nacherinnerung aber auch den
Wachen fuͤr alles Uebel vollkommen ſchadlos hielt
und das Unertraͤgliche ertraͤglich machte, ja ſogar
zu einer Art von bemerkenswerthem Gluͤcke um¬
wandelte.
Ganz wie es ihm einſt Roͤmer, ſein unkluger
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/230>, abgerufen am 22.11.2024.
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