seinen Freunden entfernt hatte, kehrte er gleich darauf allein zurück und in sonderbarer angeneh¬ mer Aufregung, und indem er einen glänzenden Blick auf die reizende Gestalt des Mädchens warf, küßte er der Mutter die Hand, nahm sich zusam¬ men und hielt, im Anfang nicht ohne Stottern, folgende Rede:
"Sie sind, liebeköstliche Agnes -- Ihre Toch¬ ter ist, verehrte Frau! von einem glänzenden Liebhaber herzlos verlassen. Weder mit den per¬ sönlichen Vorzügen, noch mit den Reichthümern jenes Treulosen begabt, fühle ich dennoch mich unaufhaltsam getrieben und gezwungen, das Glück herauszufordern, mich an die Stelle des Ver¬ schwundenen zu drängen und mit meiner Hand der Verlassenen ein leidenschaftlich erregtes aber dauerhaftes und treues Herz anzubieten! -- Ich bin ein Silberschmied und am Rhein zu Hause; meine Eltern sind mir schon früh gestorben, so daß ich von Jugend auf allein in der Welt stand. Aber nachdem ich in Arbeit, Musik und Lustigkeit viele sorgenvolle und lustige, klangvolle Jahre zugebracht, fiel mir von weiter Verwandtschaft
ſeinen Freunden entfernt hatte, kehrte er gleich darauf allein zuruͤck und in ſonderbarer angeneh¬ mer Aufregung, und indem er einen glaͤnzenden Blick auf die reizende Geſtalt des Maͤdchens warf, kuͤßte er der Mutter die Hand, nahm ſich zuſam¬ men und hielt, im Anfang nicht ohne Stottern, folgende Rede:
»Sie ſind, liebekoͤſtliche Agnes — Ihre Toch¬ ter iſt, verehrte Frau! von einem glaͤnzenden Liebhaber herzlos verlaſſen. Weder mit den per¬ ſoͤnlichen Vorzuͤgen, noch mit den Reichthuͤmern jenes Treuloſen begabt, fuͤhle ich dennoch mich unaufhaltſam getrieben und gezwungen, das Gluͤck herauszufordern, mich an die Stelle des Ver¬ ſchwundenen zu draͤngen und mit meiner Hand der Verlaſſenen ein leidenſchaftlich erregtes aber dauerhaftes und treues Herz anzubieten! — Ich bin ein Silberſchmied und am Rhein zu Hauſe; meine Eltern ſind mir ſchon fruͤh geſtorben, ſo daß ich von Jugend auf allein in der Welt ſtand. Aber nachdem ich in Arbeit, Muſik und Luſtigkeit viele ſorgenvolle und luſtige, klangvolle Jahre zugebracht, fiel mir von weiter Verwandtſchaft
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[7/0017]
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darauf allein zuruͤck und in ſonderbarer angeneh¬
mer Aufregung, und indem er einen glaͤnzenden
Blick auf die reizende Geſtalt des Maͤdchens warf,
kuͤßte er der Mutter die Hand, nahm ſich zuſam¬
men und hielt, im Anfang nicht ohne Stottern,
folgende Rede:
»Sie ſind, liebekoͤſtliche Agnes — Ihre Toch¬
ter iſt, verehrte Frau! von einem glaͤnzenden
Liebhaber herzlos verlaſſen. Weder mit den per¬
ſoͤnlichen Vorzuͤgen, noch mit den Reichthuͤmern
jenes Treuloſen begabt, fuͤhle ich dennoch mich
unaufhaltſam getrieben und gezwungen, das Gluͤck
herauszufordern, mich an die Stelle des Ver¬
ſchwundenen zu draͤngen und mit meiner Hand
der Verlaſſenen ein leidenſchaftlich erregtes aber
dauerhaftes und treues Herz anzubieten! — Ich
bin ein Silberſchmied und am Rhein zu Hauſe;
meine Eltern ſind mir ſchon fruͤh geſtorben, ſo
daß ich von Jugend auf allein in der Welt ſtand.
Aber nachdem ich in Arbeit, Muſik und Luſtigkeit
viele ſorgenvolle und luſtige, klangvolle Jahre
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/17>, abgerufen am 25.11.2024.
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