Verlegenheit. Um diese zu unterbrechen, erbat sich der Rheinländer Entschuldigung für die Frei¬ heit, die er sich genommen, so ohne Weiteres mit einer Nachtmusik aufzuwarten, und zugleich die Erlaubniß, seine Besuche fortsetzen zu dürfen. Diese wurde ihm gewährt; das junge Mädchen fand sich durch die musikalische Ehrenrettung aus einer peinvollen und öden Lage erlöst; sie fühlte nun reiner das süßherbe Weh des Liebesunglückes, und in ihr Leid um Ferdinand Lys mischte sich mit nicht abzuwehrender Wärme die Dankbarkeit gegen den wohlgesinnten Gottesmacher.
Dieser brachte mehrere Male seine Freunde sammt den Instrumenten mit und führte mit ihnen in Agnesens Wohnung kleine Concerte auf, denen Niemand zuhörte, als sie und ihre Mutter. Die klare Musik, die wohlgemessenen Töne hellten ihren Geist auf und erweckten rei¬ fende, bewußte Gedanken in ihr, so daß eine ernste Haltung, ein inhaltsvollerer Blick mit ihrer Kindlichkeit und ihrem naiven Wesen sich mit großem Reize vereinigten.
Als eines Abends der Gottesmacher sich mit
Verlegenheit. Um dieſe zu unterbrechen, erbat ſich der Rheinlaͤnder Entſchuldigung fuͤr die Frei¬ heit, die er ſich genommen, ſo ohne Weiteres mit einer Nachtmuſik aufzuwarten, und zugleich die Erlaubniß, ſeine Beſuche fortſetzen zu duͤrfen. Dieſe wurde ihm gewaͤhrt; das junge Maͤdchen fand ſich durch die muſikaliſche Ehrenrettung aus einer peinvollen und oͤden Lage erloͤſt; ſie fuͤhlte nun reiner das ſuͤßherbe Weh des Liebesungluͤckes, und in ihr Leid um Ferdinand Lys miſchte ſich mit nicht abzuwehrender Waͤrme die Dankbarkeit gegen den wohlgeſinnten Gottesmacher.
Dieſer brachte mehrere Male ſeine Freunde ſammt den Inſtrumenten mit und fuͤhrte mit ihnen in Agneſens Wohnung kleine Concerte auf, denen Niemand zuhoͤrte, als ſie und ihre Mutter. Die klare Muſik, die wohlgemeſſenen Toͤne hellten ihren Geiſt auf und erweckten rei¬ fende, bewußte Gedanken in ihr, ſo daß eine ernſte Haltung, ein inhaltsvollerer Blick mit ihrer Kindlichkeit und ihrem naiven Weſen ſich mit großem Reize vereinigten.
Als eines Abends der Gottesmacher ſich mit
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Verlegenheit. Um dieſe zu unterbrechen, erbat
ſich der Rheinlaͤnder Entſchuldigung fuͤr die Frei¬
heit, die er ſich genommen, ſo ohne Weiteres mit
einer Nachtmuſik aufzuwarten, und zugleich die
Erlaubniß, ſeine Beſuche fortſetzen zu duͤrfen.
Dieſe wurde ihm gewaͤhrt; das junge Maͤdchen
fand ſich durch die muſikaliſche Ehrenrettung aus
einer peinvollen und oͤden Lage erloͤſt; ſie fuͤhlte
nun reiner das ſuͤßherbe Weh des Liebesungluͤckes,
und in ihr Leid um Ferdinand Lys miſchte ſich
mit nicht abzuwehrender Waͤrme die Dankbarkeit
gegen den wohlgeſinnten Gottesmacher.
Dieſer brachte mehrere Male ſeine Freunde
ſammt den Inſtrumenten mit und fuͤhrte mit
ihnen in Agneſens Wohnung kleine Concerte
auf, denen Niemand zuhoͤrte, als ſie und ihre
Mutter. Die klare Muſik, die wohlgemeſſenen
Toͤne hellten ihren Geiſt auf und erweckten rei¬
fende, bewußte Gedanken in ihr, ſo daß eine
ernſte Haltung, ein inhaltsvollerer Blick mit ihrer
Kindlichkeit und ihrem naiven Weſen ſich mit
großem Reize vereinigten.
Als eines Abends der Gottesmacher ſich mit
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/16>, abgerufen am 25.11.2024.
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