Meine Mutter und der Schulmeister kamen zurück; neben den seltsamen und fremdartigen Packeten, die er mit einem verstohlenen Seufzer auf den Tisch legte, brachte er einige Geschenke für Anna mit, feine Kleiderstoffe, einen schönen großen Shawl und eine goldene Uhr, als ob er mit diesen kostbaren und auf die Dauer berechne¬ ten Sachen eine günstige Wendung des Geschickes erzwingen wollte. Als Anna darüber erschrak, sagte er, sie habe diese Dinge schon lange ver¬ dient und das bischen Geld hätte gar keinen Werth für ihn, wenn er nicht ihr eine kleine Freude dadurch verschaffen könnte.
Er zeigte sich zufrieden, daß ich mitfahren wollte; meine Mutter sah es auch gern und legte mir einige Sachen zurecht, indessen ich das Ge¬ fährt aus dem Gasthause holte, wo es eingestellt war. Anna sah allerliebst aus, als sie wohl vermummt und verschleiert dem Schulmeister zur Seite saß. Ich behauptete den Vordersitz und hatte das Leitseil des gutgenährten Pferdes er¬ griffen, welches ungeduldig scharrte: die Mutter machte sich noch lange am Wagen zu schaffen
III. 4
Meine Mutter und der Schulmeiſter kamen zuruͤck; neben den ſeltſamen und fremdartigen Packeten, die er mit einem verſtohlenen Seufzer auf den Tiſch legte, brachte er einige Geſchenke fuͤr Anna mit, feine Kleiderſtoffe, einen ſchoͤnen großen Shawl und eine goldene Uhr, als ob er mit dieſen koſtbaren und auf die Dauer berechne¬ ten Sachen eine guͤnſtige Wendung des Geſchickes erzwingen wollte. Als Anna daruͤber erſchrak, ſagte er, ſie habe dieſe Dinge ſchon lange ver¬ dient und das bischen Geld haͤtte gar keinen Werth fuͤr ihn, wenn er nicht ihr eine kleine Freude dadurch verſchaffen koͤnnte.
Er zeigte ſich zufrieden, daß ich mitfahren wollte; meine Mutter ſah es auch gern und legte mir einige Sachen zurecht, indeſſen ich das Ge¬ faͤhrt aus dem Gaſthauſe holte, wo es eingeſtellt war. Anna ſah allerliebſt aus, als ſie wohl vermummt und verſchleiert dem Schulmeiſter zur Seite ſaß. Ich behauptete den Vorderſitz und hatte das Leitſeil des gutgenaͤhrten Pferdes er¬ griffen, welches ungeduldig ſcharrte: die Mutter machte ſich noch lange am Wagen zu ſchaffen
III. 4
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Meine Mutter und der Schulmeiſter kamen
zuruͤck; neben den ſeltſamen und fremdartigen
Packeten, die er mit einem verſtohlenen Seufzer
auf den Tiſch legte, brachte er einige Geſchenke
fuͤr Anna mit, feine Kleiderſtoffe, einen ſchoͤnen
großen Shawl und eine goldene Uhr, als ob er
mit dieſen koſtbaren und auf die Dauer berechne¬
ten Sachen eine guͤnſtige Wendung des Geſchickes
erzwingen wollte. Als Anna daruͤber erſchrak,
ſagte er, ſie habe dieſe Dinge ſchon lange ver¬
dient und das bischen Geld haͤtte gar keinen
Werth fuͤr ihn, wenn er nicht ihr eine kleine
Freude dadurch verſchaffen koͤnnte.
Er zeigte ſich zufrieden, daß ich mitfahren
wollte; meine Mutter ſah es auch gern und legte
mir einige Sachen zurecht, indeſſen ich das Ge¬
faͤhrt aus dem Gaſthauſe holte, wo es eingeſtellt
war. Anna ſah allerliebſt aus, als ſie wohl
vermummt und verſchleiert dem Schulmeiſter zur
Seite ſaß. Ich behauptete den Vorderſitz und
hatte das Leitſeil des gutgenaͤhrten Pferdes er¬
griffen, welches ungeduldig ſcharrte: die Mutter
machte ſich noch lange am Wagen zu ſchaffen
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/59>, abgerufen am 23.11.2024.
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