Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

sei. Für unsern Doctor will er uns einen Brief
mitgeben und von Zeit zu Zeit selbst hinauskom¬
men und nachsehen."

Ich wußte hierauf rein nichts zu erwiedern,
noch meine Theilnahme zu bezeugen; vielmehr
wurde ich ganz roth und schämte mich nur, nicht
auch krank zu sein. Anna hingegen sah mich bei
den Worten ihres Vaters lächelnd an, als ob sie
Mitleid mit mir hätte, so peinliche Dinge hören
zu müssen.

Nach dem Essen verlangte der Schulmeister, von
meinen Beschäftigungen zu wissen und Etwas zu
sehen; ich brachte meine wohlgefüllte Mappe her¬
bei und erzählte von meinem Meister; doch sah
man jetzt wohl, daß er zu sehr von seiner Sorge
befangen war, als daß er lange bei diesen Din¬
gen hätte verweilen können. Er machte sich be¬
reit, einige Gänge zu thun und Einkäufe zu ma¬
chen, welche hauptsächlich in einigen ausländischen
Producten zu Nahrungsmitteln für Anna bestan¬
den, welche der Arzt einstweilen verordnet. Meine
Mutter begleitete ihn und ich blieb allein mit
Anna zurück. Sie fuhr fort, meine Sachen auf¬

ſei. Fuͤr unſern Doctor will er uns einen Brief
mitgeben und von Zeit zu Zeit ſelbſt hinauskom¬
men und nachſehen.«

Ich wußte hierauf rein nichts zu erwiedern,
noch meine Theilnahme zu bezeugen; vielmehr
wurde ich ganz roth und ſchaͤmte mich nur, nicht
auch krank zu ſein. Anna hingegen ſah mich bei
den Worten ihres Vaters laͤchelnd an, als ob ſie
Mitleid mit mir haͤtte, ſo peinliche Dinge hoͤren
zu muͤſſen.

Nach dem Eſſen verlangte der Schulmeiſter, von
meinen Beſchaͤftigungen zu wiſſen und Etwas zu
ſehen; ich brachte meine wohlgefuͤllte Mappe her¬
bei und erzaͤhlte von meinem Meiſter; doch ſah
man jetzt wohl, daß er zu ſehr von ſeiner Sorge
befangen war, als daß er lange bei dieſen Din¬
gen haͤtte verweilen koͤnnen. Er machte ſich be¬
reit, einige Gaͤnge zu thun und Einkaͤufe zu ma¬
chen, welche hauptſaͤchlich in einigen auslaͤndiſchen
Producten zu Nahrungsmitteln fuͤr Anna beſtan¬
den, welche der Arzt einſtweilen verordnet. Meine
Mutter begleitete ihn und ich blieb allein mit
Anna zuruͤck. Sie fuhr fort, meine Sachen auf¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="47"/>
&#x017F;ei. Fu&#x0364;r un&#x017F;ern Doctor will er uns einen Brief<lb/>
mitgeben und von Zeit zu Zeit &#x017F;elb&#x017F;t hinauskom¬<lb/>
men und nach&#x017F;ehen.«</p><lb/>
        <p>Ich wußte hierauf rein nichts zu erwiedern,<lb/>
noch meine Theilnahme zu bezeugen; vielmehr<lb/>
wurde ich ganz roth und &#x017F;cha&#x0364;mte mich nur, nicht<lb/>
auch krank zu &#x017F;ein. Anna hingegen &#x017F;ah mich bei<lb/>
den Worten ihres Vaters la&#x0364;chelnd an, als ob &#x017F;ie<lb/>
Mitleid mit mir ha&#x0364;tte, &#x017F;o peinliche Dinge ho&#x0364;ren<lb/>
zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Nach dem E&#x017F;&#x017F;en verlangte der Schulmei&#x017F;ter, von<lb/>
meinen Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen zu wi&#x017F;&#x017F;en und Etwas zu<lb/>
&#x017F;ehen; ich brachte meine wohlgefu&#x0364;llte Mappe her¬<lb/>
bei und erza&#x0364;hlte von meinem Mei&#x017F;ter; doch &#x017F;ah<lb/>
man jetzt wohl, daß er zu &#x017F;ehr von &#x017F;einer Sorge<lb/>
befangen war, als daß er lange bei die&#x017F;en Din¬<lb/>
gen ha&#x0364;tte verweilen ko&#x0364;nnen. Er machte &#x017F;ich be¬<lb/>
reit, einige Ga&#x0364;nge zu thun und Einka&#x0364;ufe zu ma¬<lb/>
chen, welche haupt&#x017F;a&#x0364;chlich in einigen ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Producten zu Nahrungsmitteln fu&#x0364;r Anna be&#x017F;tan¬<lb/>
den, welche der Arzt ein&#x017F;tweilen verordnet. Meine<lb/>
Mutter begleitete ihn und ich blieb allein mit<lb/>
Anna zuru&#x0364;ck. Sie fuhr fort, meine Sachen auf¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] ſei. Fuͤr unſern Doctor will er uns einen Brief mitgeben und von Zeit zu Zeit ſelbſt hinauskom¬ men und nachſehen.« Ich wußte hierauf rein nichts zu erwiedern, noch meine Theilnahme zu bezeugen; vielmehr wurde ich ganz roth und ſchaͤmte mich nur, nicht auch krank zu ſein. Anna hingegen ſah mich bei den Worten ihres Vaters laͤchelnd an, als ob ſie Mitleid mit mir haͤtte, ſo peinliche Dinge hoͤren zu muͤſſen. Nach dem Eſſen verlangte der Schulmeiſter, von meinen Beſchaͤftigungen zu wiſſen und Etwas zu ſehen; ich brachte meine wohlgefuͤllte Mappe her¬ bei und erzaͤhlte von meinem Meiſter; doch ſah man jetzt wohl, daß er zu ſehr von ſeiner Sorge befangen war, als daß er lange bei dieſen Din¬ gen haͤtte verweilen koͤnnen. Er machte ſich be¬ reit, einige Gaͤnge zu thun und Einkaͤufe zu ma¬ chen, welche hauptſaͤchlich in einigen auslaͤndiſchen Producten zu Nahrungsmitteln fuͤr Anna beſtan¬ den, welche der Arzt einſtweilen verordnet. Meine Mutter begleitete ihn und ich blieb allein mit Anna zuruͤck. Sie fuhr fort, meine Sachen auf¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/57
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/57>, abgerufen am 05.05.2024.