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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Gesellen, unter den schwierigsten Umständen, kamen
ihm in den Sinn und wechselten mit dem Bilde
der sich immer gleichen Rosalie, und dies Bild
verscheuchte dann alle jene Schrecken für einen
Augenblick; aber sie kehrten wieder und peinigten
ihn auf das Aergste.

Und als er sie endlich gewaltsam unterdrückte,
sagte er sich: Und was wäre es denn, wenn mir
dieser Teufel zuvorkäme und das thäte, was ich
schon längst hätte wagen sollen? Wer wäre zu
tadeln, als ich selbst? Soll mir die liebe Schöne
sich selbst auf einem Teller präsentiren? Hole der
Henker das Geld! Ich glaube, ich wäre nicht
halb so blöde, wenn sie nicht so reich wäre! Aber
was thut das zur Sache? Sie ist ein Weib, ich
ein Mann, Himmel! sie wird mir den Kopf nicht
abbeißen!

Als ob seine Seligkeit auf dem Spiele stände,
durchmaß er alle Zimmer, und als er sie nirgends
fand, riß er voll Furcht und Zorn die letzte Thür
auf, die ihm noch übrig blieb, trat hastig in das
schwach erleuchtete Stübchen und fand Rosalien
auf dem Sopha sitzend. Sie hielt sich ganz still

Geſellen, unter den ſchwierigſten Umſtaͤnden, kamen
ihm in den Sinn und wechſelten mit dem Bilde
der ſich immer gleichen Roſalie, und dies Bild
verſcheuchte dann alle jene Schrecken fuͤr einen
Augenblick; aber ſie kehrten wieder und peinigten
ihn auf das Aergſte.

Und als er ſie endlich gewaltſam unterdruͤckte,
ſagte er ſich: Und was waͤre es denn, wenn mir
dieſer Teufel zuvorkaͤme und das thaͤte, was ich
ſchon laͤngſt haͤtte wagen ſollen? Wer waͤre zu
tadeln, als ich ſelbſt? Soll mir die liebe Schoͤne
ſich ſelbſt auf einem Teller praͤſentiren? Hole der
Henker das Geld! Ich glaube, ich waͤre nicht
halb ſo bloͤde, wenn ſie nicht ſo reich waͤre! Aber
was thut das zur Sache? Sie iſt ein Weib, ich
ein Mann, Himmel! ſie wird mir den Kopf nicht
abbeißen!

Als ob ſeine Seligkeit auf dem Spiele ſtaͤnde,
durchmaß er alle Zimmer, und als er ſie nirgends
fand, riß er voll Furcht und Zorn die letzte Thuͤr
auf, die ihm noch uͤbrig blieb, trat haſtig in das
ſchwach erleuchtete Stuͤbchen und fand Roſalien
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[334/0344] Geſellen, unter den ſchwierigſten Umſtaͤnden, kamen ihm in den Sinn und wechſelten mit dem Bilde der ſich immer gleichen Roſalie, und dies Bild verſcheuchte dann alle jene Schrecken fuͤr einen Augenblick; aber ſie kehrten wieder und peinigten ihn auf das Aergſte. Und als er ſie endlich gewaltſam unterdruͤckte, ſagte er ſich: Und was waͤre es denn, wenn mir dieſer Teufel zuvorkaͤme und das thaͤte, was ich ſchon laͤngſt haͤtte wagen ſollen? Wer waͤre zu tadeln, als ich ſelbſt? Soll mir die liebe Schoͤne ſich ſelbſt auf einem Teller praͤſentiren? Hole der Henker das Geld! Ich glaube, ich waͤre nicht halb ſo bloͤde, wenn ſie nicht ſo reich waͤre! Aber was thut das zur Sache? Sie iſt ein Weib, ich ein Mann, Himmel! ſie wird mir den Kopf nicht abbeißen! Als ob ſeine Seligkeit auf dem Spiele ſtaͤnde, durchmaß er alle Zimmer, und als er ſie nirgends fand, riß er voll Furcht und Zorn die letzte Thuͤr auf, die ihm noch uͤbrig blieb, trat haſtig in das ſchwach erleuchtete Stuͤbchen und fand Roſalien auf dem Sopha ſitzend. Sie hielt ſich ganz ſtill

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/344>, abgerufen am 25.11.2024.