eigenes Wesen! Diese göttliche Freundlichkeit, welche Sie beseelt, ist nichts als Liebe, welche gewähren muß, sobald sie erkannt und verstanden wird! Sie muß sich äußern hoch über der trüben Welt von Tugend und Sünde, Pflicht und Ver¬ rath, in der Höhe des klaren unveränderlichen Lebens ihres eigenen Wesens!"
Er hatte wieder ihre Hand ergriffen und sah jetzt so schön und aufrichtig aus, daß sie ihm nicht gram werden konnte; sie ließ ihm desnahen noch eine Weile die Hand und sagte mit großer Anmuth und Freundlichkeit: "Sie sind jetzt sehr liebenswürdig, Herr Lys! und ich will deshalb vernünftig mit ihnen sprechen. Ich bin weit ent¬ fernt, Ihre Grundsätze zu verdammen, oder Ihnen eine zimperliche Predigt halten zu wollen, da ich sehe, daß dieselben nicht leere Worte eines un¬ sicheren Mannes, vielmehr nur zu deutlich die Aeußerung einer tiefer begründeten Lebensrichtung sind. Sehen Sie zu, wie Sie dabei ihr Glück und Ihre Ruhe finden, von der Sie sprechen! Aber ich muß Ihnen wenigstens sagen und kann Sie auf das Heiligste versichern, daß ich mich
eigenes Weſen! Dieſe goͤttliche Freundlichkeit, welche Sie beſeelt, iſt nichts als Liebe, welche gewaͤhren muß, ſobald ſie erkannt und verſtanden wird! Sie muß ſich aͤußern hoch uͤber der truͤben Welt von Tugend und Suͤnde, Pflicht und Ver¬ rath, in der Hoͤhe des klaren unveraͤnderlichen Lebens ihres eigenen Weſens!«
Er hatte wieder ihre Hand ergriffen und ſah jetzt ſo ſchoͤn und aufrichtig aus, daß ſie ihm nicht gram werden konnte; ſie ließ ihm desnahen noch eine Weile die Hand und ſagte mit großer Anmuth und Freundlichkeit: »Sie ſind jetzt ſehr liebenswuͤrdig, Herr Lys! und ich will deshalb vernuͤnftig mit ihnen ſprechen. Ich bin weit ent¬ fernt, Ihre Grundſaͤtze zu verdammen, oder Ihnen eine zimperliche Predigt halten zu wollen, da ich ſehe, daß dieſelben nicht leere Worte eines un¬ ſicheren Mannes, vielmehr nur zu deutlich die Aeußerung einer tiefer begruͤndeten Lebensrichtung ſind. Sehen Sie zu, wie Sie dabei ihr Gluͤck und Ihre Ruhe finden, von der Sie ſprechen! Aber ich muß Ihnen wenigſtens ſagen und kann Sie auf das Heiligſte verſichern, daß ich mich
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eigenes Weſen! Dieſe goͤttliche Freundlichkeit,
welche Sie beſeelt, iſt nichts als Liebe, welche
gewaͤhren muß, ſobald ſie erkannt und verſtanden
wird! Sie muß ſich aͤußern hoch uͤber der truͤben
Welt von Tugend und Suͤnde, Pflicht und Ver¬
rath, in der Hoͤhe des klaren unveraͤnderlichen
Lebens ihres eigenen Weſens!«
Er hatte wieder ihre Hand ergriffen und ſah
jetzt ſo ſchoͤn und aufrichtig aus, daß ſie ihm
nicht gram werden konnte; ſie ließ ihm desnahen
noch eine Weile die Hand und ſagte mit großer
Anmuth und Freundlichkeit: »Sie ſind jetzt ſehr
liebenswuͤrdig, Herr Lys! und ich will deshalb
vernuͤnftig mit ihnen ſprechen. Ich bin weit ent¬
fernt, Ihre Grundſaͤtze zu verdammen, oder Ihnen
eine zimperliche Predigt halten zu wollen, da ich
ſehe, daß dieſelben nicht leere Worte eines un¬
ſicheren Mannes, vielmehr nur zu deutlich die
Aeußerung einer tiefer begruͤndeten Lebensrichtung
ſind. Sehen Sie zu, wie Sie dabei ihr Gluͤck
und Ihre Ruhe finden, von der Sie ſprechen!
Aber ich muß Ihnen wenigſtens ſagen und kann
Sie auf das Heiligſte verſichern, daß ich mich
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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