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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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hangenen, blumenüberwölbten Gallerien tönten die
lauten Musikchöre, bald selbständig, bald die Ban¬
kettlieder begleitend; es war nicht ein Schuh von
moderner prosaischer Kleidung im Saale, und
selbst in den Nebengemächern, wo noch viele klei¬
nere Kreise tafelten und zechten, sah man nichts
als Mittelalter bis auf die Leute des Wirthes,
welche alle kostümirt waren. Darum verbreitete
sich ein prächtig rauschender Strom der Freude
über die Menge, in welchem sie sich froh und auf¬
blühend badete. Kaum konnte der Kaiser mit der
schönsten Dame den alterthümlichen Fackeltanz
eröffnen, bis die Reihen der Handwerksmänner
und Landsknechte, welche an den springenden gol¬
denen Weinquellen saßen, allmälig sich zurück¬
drängen ließen, und sie thaten es endlich um so
williger, als die prächtigen Damen sich weigerten,
mit den Schustergesellen und wilden Fußknechten
zu tanzen. Denn die Schönen hatten sich schon so
tief in ihre Gewänder hineingelebt, daß sie ver¬
gaßen, wie mancher der Verschmähten von glei¬
chem Range mit ihnen war und obgleich er ein
reinliches neues Schurzfell trug und in weißen

hangenen, blumenuͤberwoͤlbten Gallerien toͤnten die
lauten Muſikchoͤre, bald ſelbſtaͤndig, bald die Ban¬
kettlieder begleitend; es war nicht ein Schuh von
moderner proſaiſcher Kleidung im Saale, und
ſelbſt in den Nebengemaͤchern, wo noch viele klei¬
nere Kreiſe tafelten und zechten, ſah man nichts
als Mittelalter bis auf die Leute des Wirthes,
welche alle koſtuͤmirt waren. Darum verbreitete
ſich ein praͤchtig rauſchender Strom der Freude
uͤber die Menge, in welchem ſie ſich froh und auf¬
bluͤhend badete. Kaum konnte der Kaiſer mit der
ſchoͤnſten Dame den alterthuͤmlichen Fackeltanz
eroͤffnen, bis die Reihen der Handwerksmaͤnner
und Landsknechte, welche an den ſpringenden gol¬
denen Weinquellen ſaßen, allmaͤlig ſich zuruͤck¬
draͤngen ließen, und ſie thaten es endlich um ſo
williger, als die praͤchtigen Damen ſich weigerten,
mit den Schuſtergeſellen und wilden Fußknechten
zu tanzen. Denn die Schoͤnen hatten ſich ſchon ſo
tief in ihre Gewaͤnder hineingelebt, daß ſie ver¬
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chem Range mit ihnen war und obgleich er ein
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[283/0293] hangenen, blumenuͤberwoͤlbten Gallerien toͤnten die lauten Muſikchoͤre, bald ſelbſtaͤndig, bald die Ban¬ kettlieder begleitend; es war nicht ein Schuh von moderner proſaiſcher Kleidung im Saale, und ſelbſt in den Nebengemaͤchern, wo noch viele klei¬ nere Kreiſe tafelten und zechten, ſah man nichts als Mittelalter bis auf die Leute des Wirthes, welche alle koſtuͤmirt waren. Darum verbreitete ſich ein praͤchtig rauſchender Strom der Freude uͤber die Menge, in welchem ſie ſich froh und auf¬ bluͤhend badete. Kaum konnte der Kaiſer mit der ſchoͤnſten Dame den alterthuͤmlichen Fackeltanz eroͤffnen, bis die Reihen der Handwerksmaͤnner und Landsknechte, welche an den ſpringenden gol¬ denen Weinquellen ſaßen, allmaͤlig ſich zuruͤck¬ draͤngen ließen, und ſie thaten es endlich um ſo williger, als die praͤchtigen Damen ſich weigerten, mit den Schuſtergeſellen und wilden Fußknechten zu tanzen. Denn die Schoͤnen hatten ſich ſchon ſo tief in ihre Gewaͤnder hineingelebt, daß ſie ver¬ gaßen, wie mancher der Verſchmaͤhten von glei¬ chem Range mit ihnen war und obgleich er ein reinliches neues Schurzfell trug und in weißen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/293>, abgerufen am 24.05.2024.