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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Form wegen, die er ihm zu geben wußte, mit
Goldglanz zu umgeben und es so zum Golde zu
erheben.

Neben dieser, um dieses Umstandes willen so
lieblichen und wohlthuenden Gestalt des Lindenast
(wie deutsch und grün wehend war schon dieser
Name!) ging Veit Stoß, der Mann von wunder¬
lichster Mischung. Dieser schnitzte aus Holz so
holde Marienbilder und Engel, und bekleidete sie
so lieblich mit Farben, güldenem Haar und Edel¬
steinen, daß damalige Dichter begeistert seine
Werke besangen. Dazu war er ein mäßiger und
stiller Mann, der keinen Wein trank und fleißig
seines Werkes oblag, die frommen Wunderbilder
für die Altäre zu Tage fördernd. Welch reines
Gemüth mußte dieser Künstler in sich tragen.
Aber er machte eifrigst falsche Werthpapiere, um
sein Gut zu erhöhen, und als er ertappt ward,
durchstach man ihm beide Wangen öffentlich mit
glühendem Eisen. Aber weit entfernt, von solcher
Schmach gebrochen zu werden, erreichte er in aller
Gemächlichkeit ein Alter von fünf und neunzig
Jahren und schnitt nebenbei schöne und lehrreiche

Form wegen, die er ihm zu geben wußte, mit
Goldglanz zu umgeben und es ſo zum Golde zu
erheben.

Neben dieſer, um dieſes Umſtandes willen ſo
lieblichen und wohlthuenden Geſtalt des Lindenaſt
(wie deutſch und gruͤn wehend war ſchon dieſer
Name!) ging Veit Stoß, der Mann von wunder¬
lichſter Miſchung. Dieſer ſchnitzte aus Holz ſo
holde Marienbilder und Engel, und bekleidete ſie
ſo lieblich mit Farben, guͤldenem Haar und Edel¬
ſteinen, daß damalige Dichter begeiſtert ſeine
Werke beſangen. Dazu war er ein maͤßiger und
ſtiller Mann, der keinen Wein trank und fleißig
ſeines Werkes oblag, die frommen Wunderbilder
fuͤr die Altaͤre zu Tage foͤrdernd. Welch reines
Gemuͤth mußte dieſer Kuͤnſtler in ſich tragen.
Aber er machte eifrigſt falſche Werthpapiere, um
ſein Gut zu erhoͤhen, und als er ertappt ward,
durchſtach man ihm beide Wangen oͤffentlich mit
gluͤhendem Eiſen. Aber weit entfernt, von ſolcher
Schmach gebrochen zu werden, erreichte er in aller
Gemaͤchlichkeit ein Alter von fuͤnf und neunzig
Jahren und ſchnitt nebenbei ſchoͤne und lehrreiche

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[249/0259] Form wegen, die er ihm zu geben wußte, mit Goldglanz zu umgeben und es ſo zum Golde zu erheben. Neben dieſer, um dieſes Umſtandes willen ſo lieblichen und wohlthuenden Geſtalt des Lindenaſt (wie deutſch und gruͤn wehend war ſchon dieſer Name!) ging Veit Stoß, der Mann von wunder¬ lichſter Miſchung. Dieſer ſchnitzte aus Holz ſo holde Marienbilder und Engel, und bekleidete ſie ſo lieblich mit Farben, guͤldenem Haar und Edel¬ ſteinen, daß damalige Dichter begeiſtert ſeine Werke beſangen. Dazu war er ein maͤßiger und ſtiller Mann, der keinen Wein trank und fleißig ſeines Werkes oblag, die frommen Wunderbilder fuͤr die Altaͤre zu Tage foͤrdernd. Welch reines Gemuͤth mußte dieſer Kuͤnſtler in ſich tragen. Aber er machte eifrigſt falſche Werthpapiere, um ſein Gut zu erhoͤhen, und als er ertappt ward, durchſtach man ihm beide Wangen oͤffentlich mit gluͤhendem Eiſen. Aber weit entfernt, von ſolcher Schmach gebrochen zu werden, erreichte er in aller Gemaͤchlichkeit ein Alter von fuͤnf und neunzig Jahren und ſchnitt nebenbei ſchoͤne und lehrreiche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/259>, abgerufen am 25.11.2024.