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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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und sonderbarer Weise, um dem Spotte, an wel¬
chen vielleicht Niemand dachte, zuvorzukommen,
Scharfsinn und Phantasie aufbot. Andersdenkende
durch Witze in die Enge zu treiben. Wenn er
vor Ferdinands hoher Commission, vor der ge¬
malten Bank der Spötter stand, so lachte er den
wunderlichen Käuzen in's Gesicht und freute
sich über sie; denn er hielt sich wegen seines
Rationalismus, auf den er sich guthmüthig viel
zu gut that, halb und halb von der Gesellschaft,
bis ihn plötzlich die zornige Ahnung überkam,
daß es auch auf ihn gemünzt wäre, und der gute
Lys, welcher Heinrich wirklich liebte und wohl
wußte, daß er nicht vor dies Tribunal gehöre,
mußte dann hundert Angriffe und Sarkasmen
aushalten.

Außer diesem Umstande verursachte noch ein
anderer eine Ungleichheit zwischen beiden Freunden.
Lys, der wie Erikson um sechs bis sieben Jahre
älter war, als Heinrich, liebte das Glück bei den
Weibern und sah, wo er es fand, ohne bisher ein
Gefühl für Treue und bindende Dauer empfun¬
den zu haben. Er war höflich und aufmerksam

und ſonderbarer Weiſe, um dem Spotte, an wel¬
chen vielleicht Niemand dachte, zuvorzukommen,
Scharfſinn und Phantaſie aufbot. Andersdenkende
durch Witze in die Enge zu treiben. Wenn er
vor Ferdinands hoher Commiſſion, vor der ge¬
malten Bank der Spoͤtter ſtand, ſo lachte er den
wunderlichen Kaͤuzen in's Geſicht und freute
ſich uͤber ſie; denn er hielt ſich wegen ſeines
Rationalismus, auf den er ſich guthmuͤthig viel
zu gut that, halb und halb von der Geſellſchaft,
bis ihn ploͤtzlich die zornige Ahnung uͤberkam,
daß es auch auf ihn gemuͤnzt waͤre, und der gute
Lys, welcher Heinrich wirklich liebte und wohl
wußte, daß er nicht vor dies Tribunal gehoͤre,
mußte dann hundert Angriffe und Sarkasmen
aushalten.

Außer dieſem Umſtande verurſachte noch ein
anderer eine Ungleichheit zwiſchen beiden Freunden.
Lys, der wie Erikſon um ſechs bis ſieben Jahre
aͤlter war, als Heinrich, liebte das Gluͤck bei den
Weibern und ſah, wo er es fand, ohne bisher ein
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[202/0212] und ſonderbarer Weiſe, um dem Spotte, an wel¬ chen vielleicht Niemand dachte, zuvorzukommen, Scharfſinn und Phantaſie aufbot. Andersdenkende durch Witze in die Enge zu treiben. Wenn er vor Ferdinands hoher Commiſſion, vor der ge¬ malten Bank der Spoͤtter ſtand, ſo lachte er den wunderlichen Kaͤuzen in's Geſicht und freute ſich uͤber ſie; denn er hielt ſich wegen ſeines Rationalismus, auf den er ſich guthmuͤthig viel zu gut that, halb und halb von der Geſellſchaft, bis ihn ploͤtzlich die zornige Ahnung uͤberkam, daß es auch auf ihn gemuͤnzt waͤre, und der gute Lys, welcher Heinrich wirklich liebte und wohl wußte, daß er nicht vor dies Tribunal gehoͤre, mußte dann hundert Angriffe und Sarkasmen aushalten. Außer dieſem Umſtande verurſachte noch ein anderer eine Ungleichheit zwiſchen beiden Freunden. Lys, der wie Erikſon um ſechs bis ſieben Jahre aͤlter war, als Heinrich, liebte das Gluͤck bei den Weibern und ſah, wo er es fand, ohne bisher ein Gefuͤhl fuͤr Treue und bindende Dauer empfun¬ den zu haben. Er war hoͤflich und aufmerkſam

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/212>, abgerufen am 27.11.2024.