bendiges und Vernünftiges hervorzubringen, mit einem Wort, daß die sogenannte Zwecklosigkeit der Kunst nicht mit Grundlosigkeit verwechselt werden darf. Dies ist zwar eine alte Geschichte, indem man schon im Aristoteles ersehen kann, daß seine stofflichen Betrachtungen über die pro¬ saisch-politische Redekunst zugleich die besten Re¬ cepte auch für den Dichter sind.
Denn wie es mir scheint, geht alles richtige Bestreben auf Vereinfachung, Zurückführung und Vereinigung des scheinbar Getrennten und Ver¬ schiedenen auf Einen Lebensgrund, und in diesem Bestreben das Nothwendige und Einfache mit Kraft und Fülle und in seinem ganzen Wesen darzustellen, ist Kunst; darum unterscheiden sich die Künstler nur dadurch von den anderen Men¬ schen, daß sie das Wesentliche gleich sehen und es mit Fülle darzustellen wissen, während die Anderen dies wieder erkennen müssen und darüber erstaunen, und darum sind auch alle die keine Meister, zu deren Verständniß es einer besonderen Geschmacksrichtung oder einer künstlichen Schule bedarf.
bendiges und Vernuͤnftiges hervorzubringen, mit einem Wort, daß die ſogenannte Zweckloſigkeit der Kunſt nicht mit Grundloſigkeit verwechſelt werden darf. Dies iſt zwar eine alte Geſchichte, indem man ſchon im Ariſtoteles erſehen kann, daß ſeine ſtofflichen Betrachtungen uͤber die pro¬ ſaiſch-politiſche Redekunſt zugleich die beſten Re¬ cepte auch fuͤr den Dichter ſind.
Denn wie es mir ſcheint, geht alles richtige Beſtreben auf Vereinfachung, Zuruͤckfuͤhrung und Vereinigung des ſcheinbar Getrennten und Ver¬ ſchiedenen auf Einen Lebensgrund, und in dieſem Beſtreben das Nothwendige und Einfache mit Kraft und Fuͤlle und in ſeinem ganzen Weſen darzuſtellen, iſt Kunſt; darum unterſcheiden ſich die Kuͤnſtler nur dadurch von den anderen Men¬ ſchen, daß ſie das Weſentliche gleich ſehen und es mit Fuͤlle darzuſtellen wiſſen, waͤhrend die Anderen dies wieder erkennen muͤſſen und daruͤber erſtaunen, und darum ſind auch alle die keine Meiſter, zu deren Verſtaͤndniß es einer beſonderen Geſchmacksrichtung oder einer kuͤnſtlichen Schule bedarf.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0021"n="11"/>
bendiges und Vernuͤnftiges hervorzubringen, mit<lb/>
einem Wort, daß die ſogenannte Zweckloſigkeit<lb/>
der Kunſt nicht mit Grundloſigkeit verwechſelt<lb/>
werden darf. Dies iſt zwar eine alte Geſchichte,<lb/>
indem man ſchon im Ariſtoteles erſehen kann,<lb/>
daß ſeine ſtofflichen Betrachtungen uͤber die pro¬<lb/>ſaiſch-politiſche Redekunſt zugleich die beſten Re¬<lb/>
cepte auch fuͤr den Dichter ſind.</p><lb/><p>Denn wie es mir ſcheint, geht alles richtige<lb/>
Beſtreben auf Vereinfachung, Zuruͤckfuͤhrung und<lb/>
Vereinigung des ſcheinbar Getrennten und Ver¬<lb/>ſchiedenen auf Einen Lebensgrund, und in dieſem<lb/>
Beſtreben das Nothwendige und Einfache mit<lb/>
Kraft und Fuͤlle und in ſeinem ganzen Weſen<lb/>
darzuſtellen, iſt Kunſt; darum unterſcheiden ſich<lb/>
die Kuͤnſtler nur dadurch von den anderen Men¬<lb/>ſchen, daß ſie das Weſentliche gleich ſehen und<lb/>
es mit Fuͤlle darzuſtellen wiſſen, waͤhrend die<lb/>
Anderen dies wieder erkennen muͤſſen und daruͤber<lb/>
erſtaunen, und darum ſind auch alle die keine<lb/>
Meiſter, zu deren Verſtaͤndniß es einer beſonderen<lb/>
Geſchmacksrichtung oder einer kuͤnſtlichen Schule<lb/>
bedarf.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0021]
bendiges und Vernuͤnftiges hervorzubringen, mit
einem Wort, daß die ſogenannte Zweckloſigkeit
der Kunſt nicht mit Grundloſigkeit verwechſelt
werden darf. Dies iſt zwar eine alte Geſchichte,
indem man ſchon im Ariſtoteles erſehen kann,
daß ſeine ſtofflichen Betrachtungen uͤber die pro¬
ſaiſch-politiſche Redekunſt zugleich die beſten Re¬
cepte auch fuͤr den Dichter ſind.
Denn wie es mir ſcheint, geht alles richtige
Beſtreben auf Vereinfachung, Zuruͤckfuͤhrung und
Vereinigung des ſcheinbar Getrennten und Ver¬
ſchiedenen auf Einen Lebensgrund, und in dieſem
Beſtreben das Nothwendige und Einfache mit
Kraft und Fuͤlle und in ſeinem ganzen Weſen
darzuſtellen, iſt Kunſt; darum unterſcheiden ſich
die Kuͤnſtler nur dadurch von den anderen Men¬
ſchen, daß ſie das Weſentliche gleich ſehen und
es mit Fuͤlle darzuſtellen wiſſen, waͤhrend die
Anderen dies wieder erkennen muͤſſen und daruͤber
erſtaunen, und darum ſind auch alle die keine
Meiſter, zu deren Verſtaͤndniß es einer beſonderen
Geſchmacksrichtung oder einer kuͤnſtlichen Schule
bedarf.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/21>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.