geschehene Dinge sind einmal nicht zu ändern. Die Geschichte soll mir zur Warnung dienen; aber ich kann sie nicht ewig mit mir herum¬ schleppen, und da ich mein Unrecht einsehe und bereue, so mußt Du es mir endlich verzeihen und mir die Gewißheit geben, daß ich deswegen nicht hassenswerth und garstig aussehe!"
Ich merkte nämlich erst jetzt, daß ich darum hergekommen und allerdings bedürftig war, durch Mittheilung und durch die Vermittlung eines fremden Mundes die Vertilgung eines drückenden Gefühles oder Verzeihung zu erlangen, wenn ich mich auch gegen des Schulmeisters christliche Vermittlung sträubte. Aber Judith antwortete: "Daraus wird Nichts! Die Vor¬ würfe Deines Gewissens sind ein ganz gesundes Brot für Dich, und daran sollst Du Dein Leben lang kauen, ohne daß ich Dir die Butter der Verzeihung darauf streiche! Dies könnte ich nicht einmal; denn was nicht zu ändern ist, ist eben deswegen auch nicht zu vergessen, dünkt mich, ich habe dies genugsam erfahren! Uebrigens fühle ich leider nicht, daß Du mir irgend wider¬
geſchehene Dinge ſind einmal nicht zu aͤndern. Die Geſchichte ſoll mir zur Warnung dienen; aber ich kann ſie nicht ewig mit mir herum¬ ſchleppen, und da ich mein Unrecht einſehe und bereue, ſo mußt Du es mir endlich verzeihen und mir die Gewißheit geben, daß ich deswegen nicht haſſenswerth und garſtig ausſehe!«
Ich merkte naͤmlich erſt jetzt, daß ich darum hergekommen und allerdings beduͤrftig war, durch Mittheilung und durch die Vermittlung eines fremden Mundes die Vertilgung eines druͤckenden Gefuͤhles oder Verzeihung zu erlangen, wenn ich mich auch gegen des Schulmeiſters chriſtliche Vermittlung ſtraͤubte. Aber Judith antwortete: »Daraus wird Nichts! Die Vor¬ wuͤrfe Deines Gewiſſens ſind ein ganz geſundes Brot fuͤr Dich, und daran ſollſt Du Dein Leben lang kauen, ohne daß ich Dir die Butter der Verzeihung darauf ſtreiche! Dies koͤnnte ich nicht einmal; denn was nicht zu aͤndern iſt, iſt eben deswegen auch nicht zu vergeſſen, duͤnkt mich, ich habe dies genugſam erfahren! Uebrigens fuͤhle ich leider nicht, daß Du mir irgend wider¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0126"n="116"/>
geſchehene Dinge ſind einmal nicht zu aͤndern.<lb/>
Die Geſchichte ſoll mir zur Warnung dienen;<lb/>
aber ich kann ſie nicht ewig mit mir herum¬<lb/>ſchleppen, und da ich mein Unrecht einſehe und<lb/>
bereue, ſo mußt Du es mir endlich verzeihen<lb/>
und mir die Gewißheit geben, daß ich deswegen<lb/>
nicht haſſenswerth und garſtig ausſehe!«</p><lb/><p>Ich merkte naͤmlich erſt jetzt, daß ich darum<lb/>
hergekommen und allerdings beduͤrftig war,<lb/>
durch Mittheilung und durch die Vermittlung<lb/>
eines fremden Mundes die Vertilgung eines<lb/>
druͤckenden Gefuͤhles oder Verzeihung zu erlangen,<lb/>
wenn ich mich auch gegen des Schulmeiſters<lb/>
chriſtliche Vermittlung ſtraͤubte. Aber Judith<lb/>
antwortete: »Daraus wird Nichts! Die Vor¬<lb/>
wuͤrfe Deines Gewiſſens ſind ein ganz geſundes<lb/>
Brot fuͤr Dich, und daran ſollſt Du Dein Leben<lb/>
lang kauen, ohne daß ich Dir die Butter der<lb/>
Verzeihung darauf ſtreiche! Dies koͤnnte ich nicht<lb/>
einmal; denn was nicht zu aͤndern iſt, iſt eben<lb/>
deswegen auch nicht zu vergeſſen, duͤnkt mich,<lb/>
ich habe dies genugſam erfahren! Uebrigens<lb/>
fuͤhle ich leider nicht, daß Du mir irgend wider¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0126]
geſchehene Dinge ſind einmal nicht zu aͤndern.
Die Geſchichte ſoll mir zur Warnung dienen;
aber ich kann ſie nicht ewig mit mir herum¬
ſchleppen, und da ich mein Unrecht einſehe und
bereue, ſo mußt Du es mir endlich verzeihen
und mir die Gewißheit geben, daß ich deswegen
nicht haſſenswerth und garſtig ausſehe!«
Ich merkte naͤmlich erſt jetzt, daß ich darum
hergekommen und allerdings beduͤrftig war,
durch Mittheilung und durch die Vermittlung
eines fremden Mundes die Vertilgung eines
druͤckenden Gefuͤhles oder Verzeihung zu erlangen,
wenn ich mich auch gegen des Schulmeiſters
chriſtliche Vermittlung ſtraͤubte. Aber Judith
antwortete: »Daraus wird Nichts! Die Vor¬
wuͤrfe Deines Gewiſſens ſind ein ganz geſundes
Brot fuͤr Dich, und daran ſollſt Du Dein Leben
lang kauen, ohne daß ich Dir die Butter der
Verzeihung darauf ſtreiche! Dies koͤnnte ich nicht
einmal; denn was nicht zu aͤndern iſt, iſt eben
deswegen auch nicht zu vergeſſen, duͤnkt mich,
ich habe dies genugſam erfahren! Uebrigens
fuͤhle ich leider nicht, daß Du mir irgend wider¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/126>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.