zurückkamen. Ich glaube, daß Römer während der Zeit seines Aufenthaltes keine anderen Mittel hatte, als das wenige Geld, was er von mir empfangen. Es stellte sich erst nachher heraus, daß er nie etwas Warmes genossen, sondern sich heimlich mit Brot und Käse ernährte, und seine größte Ausgabe bestand in der Unterhaltung sei¬ ner feinen Wäsche und der Handschuhe. Zu sei¬ nen Kleidern wußte er so Sorge zu tragen, daß sie bei seiner Abreise noch eben so gut aussahen, wie bei der Ankunft, obschon er immer dieselben trug.
Nachdem ich vier Monate unter seiner Lei¬ tung zugebracht, wollte ich mich zurückziehen, in¬ dem ich die bezahlte Summe nun als ausgegli¬ chen betrachtete. Doch er wiederholte seine Aeu¬ ßerung, daß es hiemit nicht so genau zu nehmen und die Studien deshalb nicht abzubrechen wä¬ ren; es sei ihm im Gegentheil ein angenehmes Bedürfniß, unsern Verkehr fortzusetzen. So ar¬ beitete ich zwar nicht mehr anhaltend in seiner Wohnung, besuchte ihn aber jeden Tag, empfing
III. 7
zuruͤckkamen. Ich glaube, daß Roͤmer waͤhrend der Zeit ſeines Aufenthaltes keine anderen Mittel hatte, als das wenige Geld, was er von mir empfangen. Es ſtellte ſich erſt nachher heraus, daß er nie etwas Warmes genoſſen, ſondern ſich heimlich mit Brot und Kaͤſe ernaͤhrte, und ſeine groͤßte Ausgabe beſtand in der Unterhaltung ſei¬ ner feinen Waͤſche und der Handſchuhe. Zu ſei¬ nen Kleidern wußte er ſo Sorge zu tragen, daß ſie bei ſeiner Abreiſe noch eben ſo gut ausſahen, wie bei der Ankunft, obſchon er immer dieſelben trug.
Nachdem ich vier Monate unter ſeiner Lei¬ tung zugebracht, wollte ich mich zuruͤckziehen, in¬ dem ich die bezahlte Summe nun als ausgegli¬ chen betrachtete. Doch er wiederholte ſeine Aeu¬ ßerung, daß es hiemit nicht ſo genau zu nehmen und die Studien deshalb nicht abzubrechen waͤ¬ ren; es ſei ihm im Gegentheil ein angenehmes Beduͤrfniß, unſern Verkehr fortzuſetzen. So ar¬ beitete ich zwar nicht mehr anhaltend in ſeiner Wohnung, beſuchte ihn aber jeden Tag, empfing
III. 7
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0107"n="97"/>
zuruͤckkamen. Ich glaube, daß Roͤmer waͤhrend<lb/>
der Zeit ſeines Aufenthaltes keine anderen Mittel<lb/>
hatte, als das wenige Geld, was er von mir<lb/>
empfangen. Es ſtellte ſich erſt nachher heraus,<lb/>
daß er nie etwas Warmes genoſſen, ſondern ſich<lb/>
heimlich mit Brot und Kaͤſe ernaͤhrte, und ſeine<lb/>
groͤßte Ausgabe beſtand in der Unterhaltung ſei¬<lb/>
ner feinen Waͤſche und der Handſchuhe. Zu ſei¬<lb/>
nen Kleidern wußte er ſo Sorge zu tragen, daß<lb/>ſie bei ſeiner Abreiſe noch eben ſo gut ausſahen,<lb/>
wie bei der Ankunft, obſchon er immer dieſelben<lb/>
trug.</p><lb/><p>Nachdem ich vier Monate unter ſeiner Lei¬<lb/>
tung zugebracht, wollte ich mich zuruͤckziehen, in¬<lb/>
dem ich die bezahlte Summe nun als ausgegli¬<lb/>
chen betrachtete. Doch er wiederholte ſeine Aeu¬<lb/>
ßerung, daß es hiemit nicht ſo genau zu nehmen<lb/>
und die Studien deshalb nicht abzubrechen waͤ¬<lb/>
ren; es ſei ihm im Gegentheil ein angenehmes<lb/>
Beduͤrfniß, unſern Verkehr fortzuſetzen. So ar¬<lb/>
beitete ich zwar nicht mehr anhaltend in ſeiner<lb/>
Wohnung, beſuchte ihn aber jeden Tag, empfing<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">III</hi>. 7<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[97/0107]
zuruͤckkamen. Ich glaube, daß Roͤmer waͤhrend
der Zeit ſeines Aufenthaltes keine anderen Mittel
hatte, als das wenige Geld, was er von mir
empfangen. Es ſtellte ſich erſt nachher heraus,
daß er nie etwas Warmes genoſſen, ſondern ſich
heimlich mit Brot und Kaͤſe ernaͤhrte, und ſeine
groͤßte Ausgabe beſtand in der Unterhaltung ſei¬
ner feinen Waͤſche und der Handſchuhe. Zu ſei¬
nen Kleidern wußte er ſo Sorge zu tragen, daß
ſie bei ſeiner Abreiſe noch eben ſo gut ausſahen,
wie bei der Ankunft, obſchon er immer dieſelben
trug.
Nachdem ich vier Monate unter ſeiner Lei¬
tung zugebracht, wollte ich mich zuruͤckziehen, in¬
dem ich die bezahlte Summe nun als ausgegli¬
chen betrachtete. Doch er wiederholte ſeine Aeu¬
ßerung, daß es hiemit nicht ſo genau zu nehmen
und die Studien deshalb nicht abzubrechen waͤ¬
ren; es ſei ihm im Gegentheil ein angenehmes
Beduͤrfniß, unſern Verkehr fortzuſetzen. So ar¬
beitete ich zwar nicht mehr anhaltend in ſeiner
Wohnung, beſuchte ihn aber jeden Tag, empfing
III. 7
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/107>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.