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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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braunen Haaren, blauen Aeuglein, einer etwas
eigensinnigen Stirne und einem kleinen lächelnden
Mündchen. Auf den schmalen Wangen wallte
ein Erröthen über das andere hin, das feine
Glockenstimmchen klang kaum vernehmbar und
verhallte alle Augenblicke wieder. Durch ein duf¬
tendes Rosen- und Nelkengärtchen führte uns
Anna, nachdem sie sich mit meinen Basen so
zärtlich und feierlich begrüßt hatte, als ob sie
einander ein Jahrzehnt nicht gesehen, in das vor
Reinlichkeit und Aufgeräumtheit widerhallende
Haus, wo uns ihr Vater, in einem saubern
grauen Fracke und weißer Halsbinde, in gestickten
Pantoffeln einhergehend, herzlich und zufrieden
willkommen hieß. Er hatte den beschaulichen
Sonntag über Büchern zugebracht, welche noch
auf dem Tische lagen, und mochte nun froh sein,
unverhofft eine so hübsche Anzahl Zuhörer für
seine Beredsamkeit vor sich zu sehen. Als ich
ihm vorgestellt wurde, schien er sich besonders zu
freuen, seine Manieren und gelehrte Reden mit
Anerkennung an den Mann bringen zu können,
da er mich mitten aus dem blühendsten höheren

braunen Haaren, blauen Aeuglein, einer etwas
eigenſinnigen Stirne und einem kleinen laͤchelnden
Muͤndchen. Auf den ſchmalen Wangen wallte
ein Erroͤthen uͤber das andere hin, das feine
Glockenſtimmchen klang kaum vernehmbar und
verhallte alle Augenblicke wieder. Durch ein duf¬
tendes Roſen- und Nelkengaͤrtchen fuͤhrte uns
Anna, nachdem ſie ſich mit meinen Baſen ſo
zaͤrtlich und feierlich begruͤßt hatte, als ob ſie
einander ein Jahrzehnt nicht geſehen, in das vor
Reinlichkeit und Aufgeraͤumtheit widerhallende
Haus, wo uns ihr Vater, in einem ſaubern
grauen Fracke und weißer Halsbinde, in geſtickten
Pantoffeln einhergehend, herzlich und zufrieden
willkommen hieß. Er hatte den beſchaulichen
Sonntag uͤber Buͤchern zugebracht, welche noch
auf dem Tiſche lagen, und mochte nun froh ſein,
unverhofft eine ſo huͤbſche Anzahl Zuhoͤrer fuͤr
ſeine Beredſamkeit vor ſich zu ſehen. Als ich
ihm vorgeſtellt wurde, ſchien er ſich beſonders zu
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[61/0071] braunen Haaren, blauen Aeuglein, einer etwas eigenſinnigen Stirne und einem kleinen laͤchelnden Muͤndchen. Auf den ſchmalen Wangen wallte ein Erroͤthen uͤber das andere hin, das feine Glockenſtimmchen klang kaum vernehmbar und verhallte alle Augenblicke wieder. Durch ein duf¬ tendes Roſen- und Nelkengaͤrtchen fuͤhrte uns Anna, nachdem ſie ſich mit meinen Baſen ſo zaͤrtlich und feierlich begruͤßt hatte, als ob ſie einander ein Jahrzehnt nicht geſehen, in das vor Reinlichkeit und Aufgeraͤumtheit widerhallende Haus, wo uns ihr Vater, in einem ſaubern grauen Fracke und weißer Halsbinde, in geſtickten Pantoffeln einhergehend, herzlich und zufrieden willkommen hieß. Er hatte den beſchaulichen Sonntag uͤber Buͤchern zugebracht, welche noch auf dem Tiſche lagen, und mochte nun froh ſein, unverhofft eine ſo huͤbſche Anzahl Zuhoͤrer fuͤr ſeine Beredſamkeit vor ſich zu ſehen. Als ich ihm vorgeſtellt wurde, ſchien er ſich beſonders zu freuen, ſeine Manieren und gelehrte Reden mit Anerkennung an den Mann bringen zu koͤnnen, da er mich mitten aus dem bluͤhendſten hoͤheren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/71>, abgerufen am 21.11.2024.