zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬ durft hätte, zur Bescheidenheit zurückzukehren. Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬ ten als ein verloren Geglaubter tapfer begrüßt und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich das Licht der Freude, daß ich mich und meinen Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen drei Basen tanzte. Nach diesen tanzte ich mit einem fremden zierlichen Mädchen; allein ich er¬ hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu sein; die Lust, welche im Ganzen so viel Geräusch machte, ging mir im Einzelnen viel zu langsam und nüchtern vor sich. So freudestrahlend alle die jungen Leute drein blickten, schien es mir doch nur ein matter Schimmer zu sein gegen den Glanz, der in meiner Phantasie wach geworden. Unruhig streifte ich durch einige Trinkstuben, die neben dem Saale waren, und wurde von einer Gesellschaft junger Burschen angehalten, welche purpurrothen Wein tranken und dazu sangen. Hier schien meine Sehnsucht endlich ein Ziel zu finden, ich trank von dem kühlen Wein, dessen schöne Farbe meinen Augen sehr wohl gefiel, und
zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬ durft haͤtte, zur Beſcheidenheit zuruͤckzukehren. Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬ ten als ein verloren Geglaubter tapfer begruͤßt und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich das Licht der Freude, daß ich mich und meinen Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen drei Baſen tanzte. Nach dieſen tanzte ich mit einem fremden zierlichen Maͤdchen; allein ich er¬ hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu ſein; die Luſt, welche im Ganzen ſo viel Geraͤuſch machte, ging mir im Einzelnen viel zu langſam und nuͤchtern vor ſich. So freudeſtrahlend alle die jungen Leute drein blickten, ſchien es mir doch nur ein matter Schimmer zu ſein gegen den Glanz, der in meiner Phantaſie wach geworden. Unruhig ſtreifte ich durch einige Trinkſtuben, die neben dem Saale waren, und wurde von einer Geſellſchaft junger Burſchen angehalten, welche purpurrothen Wein tranken und dazu ſangen. Hier ſchien meine Sehnſucht endlich ein Ziel zu finden, ich trank von dem kuͤhlen Wein, deſſen ſchoͤne Farbe meinen Augen ſehr wohl gefiel, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0436"n="426"/>
zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬<lb/>
durft haͤtte, zur Beſcheidenheit zuruͤckzukehren.<lb/>
Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬<lb/>
ten als ein verloren Geglaubter tapfer begruͤßt<lb/>
und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich<lb/>
das Licht der Freude, daß ich mich und meinen<lb/>
Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen<lb/>
drei Baſen tanzte. Nach dieſen tanzte ich mit<lb/>
einem fremden zierlichen Maͤdchen; allein ich er¬<lb/>
hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu ſein;<lb/>
die Luſt, welche im Ganzen ſo viel Geraͤuſch<lb/>
machte, ging mir im Einzelnen viel zu langſam<lb/>
und nuͤchtern vor ſich. So freudeſtrahlend alle<lb/>
die jungen Leute drein blickten, ſchien es mir doch<lb/>
nur ein matter Schimmer zu ſein gegen den<lb/>
Glanz, der in meiner Phantaſie wach geworden.<lb/>
Unruhig ſtreifte ich durch einige Trinkſtuben, die<lb/>
neben dem Saale waren, und wurde von einer<lb/>
Geſellſchaft junger Burſchen angehalten, welche<lb/>
purpurrothen Wein tranken und dazu ſangen.<lb/>
Hier ſchien meine Sehnſucht endlich ein Ziel zu<lb/>
finden, ich trank von dem kuͤhlen Wein, deſſen<lb/>ſchoͤne Farbe meinen Augen ſehr wohl gefiel, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[426/0436]
zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬
durft haͤtte, zur Beſcheidenheit zuruͤckzukehren.
Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬
ten als ein verloren Geglaubter tapfer begruͤßt
und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich
das Licht der Freude, daß ich mich und meinen
Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen
drei Baſen tanzte. Nach dieſen tanzte ich mit
einem fremden zierlichen Maͤdchen; allein ich er¬
hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu ſein;
die Luſt, welche im Ganzen ſo viel Geraͤuſch
machte, ging mir im Einzelnen viel zu langſam
und nuͤchtern vor ſich. So freudeſtrahlend alle
die jungen Leute drein blickten, ſchien es mir doch
nur ein matter Schimmer zu ſein gegen den
Glanz, der in meiner Phantaſie wach geworden.
Unruhig ſtreifte ich durch einige Trinkſtuben, die
neben dem Saale waren, und wurde von einer
Geſellſchaft junger Burſchen angehalten, welche
purpurrothen Wein tranken und dazu ſangen.
Hier ſchien meine Sehnſucht endlich ein Ziel zu
finden, ich trank von dem kuͤhlen Wein, deſſen
ſchoͤne Farbe meinen Augen ſehr wohl gefiel, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/436>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.