um die Regierung verdient habe, daß man ihm das Haus seiner Väter in eine Einöde setze! Herabzusteigen und an dem feuchten Wasser sich anzunisten, wie eine Fischotter, dazu werde man ihn nicht überreden; oben, wo es trocken und sonnig, sei er geboren, und dort werde er auch bleiben! Hierauf versetzte sein Gegner lä¬ chelnd: Das möge er unbehindert thun und von der Freiheit träumen, während er ein Unterthan seiner Vorurtheile sei; Andere zögen es vor, in der That frei zu sein und sich munter umherzu¬ treiben. Schon fing die Gelassenheit an zu wei¬ chen und bei den beiderseitigen Anhängern Worte wie: Starrsinn und Eigennutz! laut zu werden, als ein fröhlicher Haufe den Tell zur Fortsetzung seiner Thaten abholte; denn er sollte noch auf die Platte springen und den Vogt erschießen. Etwas zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen sich zerstreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich sitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬ lichen Eindruck auf mich gemacht; besonders am Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des eigenen Vortheiles, an diesem Tage und in sol¬
um die Regierung verdient habe, daß man ihm das Haus ſeiner Vaͤter in eine Einoͤde ſetze! Herabzuſteigen und an dem feuchten Waſſer ſich anzuniſten, wie eine Fiſchotter, dazu werde man ihn nicht uͤberreden; oben, wo es trocken und ſonnig, ſei er geboren, und dort werde er auch bleiben! Hierauf verſetzte ſein Gegner laͤ¬ chelnd: Das moͤge er unbehindert thun und von der Freiheit traͤumen, waͤhrend er ein Unterthan ſeiner Vorurtheile ſei; Andere zoͤgen es vor, in der That frei zu ſein und ſich munter umherzu¬ treiben. Schon fing die Gelaſſenheit an zu wei¬ chen und bei den beiderſeitigen Anhaͤngern Worte wie: Starrſinn und Eigennutz! laut zu werden, als ein froͤhlicher Haufe den Tell zur Fortſetzung ſeiner Thaten abholte; denn er ſollte noch auf die Platte ſpringen und den Vogt erſchießen. Etwas zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen ſich zerſtreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich ſitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬ lichen Eindruck auf mich gemacht; beſonders am Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des eigenen Vortheiles, an dieſem Tage und in ſol¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0399"n="389"/>
um die Regierung verdient habe, daß man ihm<lb/>
das Haus ſeiner Vaͤter in eine Einoͤde ſetze!<lb/>
Herabzuſteigen und an dem feuchten Waſſer<lb/>ſich anzuniſten, wie eine Fiſchotter, dazu werde<lb/>
man ihn nicht uͤberreden; oben, wo es trocken<lb/>
und ſonnig, ſei er geboren, und dort werde er<lb/>
auch bleiben! Hierauf verſetzte ſein Gegner laͤ¬<lb/>
chelnd: Das moͤge er unbehindert thun und von<lb/>
der Freiheit traͤumen, waͤhrend er ein Unterthan<lb/>ſeiner Vorurtheile ſei; Andere zoͤgen es vor, in<lb/>
der That frei zu ſein und ſich munter umherzu¬<lb/>
treiben. Schon fing die Gelaſſenheit an zu wei¬<lb/>
chen und bei den beiderſeitigen Anhaͤngern Worte<lb/>
wie: Starrſinn und Eigennutz! laut zu werden,<lb/>
als ein froͤhlicher Haufe den Tell zur Fortſetzung<lb/>ſeiner Thaten abholte; denn er ſollte noch auf die<lb/>
Platte ſpringen und den Vogt erſchießen. Etwas<lb/>
zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen ſich<lb/>
zerſtreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich<lb/>ſitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬<lb/>
lichen Eindruck auf mich gemacht; beſonders am<lb/>
Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des<lb/>
eigenen Vortheiles, an dieſem Tage und in ſol¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[389/0399]
um die Regierung verdient habe, daß man ihm
das Haus ſeiner Vaͤter in eine Einoͤde ſetze!
Herabzuſteigen und an dem feuchten Waſſer
ſich anzuniſten, wie eine Fiſchotter, dazu werde
man ihn nicht uͤberreden; oben, wo es trocken
und ſonnig, ſei er geboren, und dort werde er
auch bleiben! Hierauf verſetzte ſein Gegner laͤ¬
chelnd: Das moͤge er unbehindert thun und von
der Freiheit traͤumen, waͤhrend er ein Unterthan
ſeiner Vorurtheile ſei; Andere zoͤgen es vor, in
der That frei zu ſein und ſich munter umherzu¬
treiben. Schon fing die Gelaſſenheit an zu wei¬
chen und bei den beiderſeitigen Anhaͤngern Worte
wie: Starrſinn und Eigennutz! laut zu werden,
als ein froͤhlicher Haufe den Tell zur Fortſetzung
ſeiner Thaten abholte; denn er ſollte noch auf die
Platte ſpringen und den Vogt erſchießen. Etwas
zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen ſich
zerſtreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich
ſitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬
lichen Eindruck auf mich gemacht; beſonders am
Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des
eigenen Vortheiles, an dieſem Tage und in ſol¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/399>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.