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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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nes, welchen sie mit großer Noth so weit ge¬
bracht, daß er als Geselle bei Dorfschneidern sich
kümmerlich umhertreiben konnte, während sie in der
Stadt ihr Brot mit Wassertragen, Waschen und
solchen Dingen verdienen mußte. Schon die Be¬
schreibung ihres Mannes, des Lumpenhundes, wie
sie ihn nannte, machte uns höchlich lachen, doch
noch mehr das Verhältniß, in welchem sie zu ih¬
rem Sohne stand. Während sie ihn als eine Frucht
des Lumpenhundes mit der größten Verachtung be¬
zeichnete, war derselbe doch der einzige Gegenstand
ihrer Liebe und ihrer Sorge, so daß sie fortwäh¬
rend von ihm sprach. Sie gab ihm Alles, was
sie irgend konnte, und gerade die Kleinheit die¬
ser Gaben, die für sie so viel waren, mußte uns
rühren und zugleich zum Lachen reizen, wenn sie
die "Opfer", welche sie fortwährend bringe, mit
gutmüthiger Prahlerei aufzählte. Letzte Ostern, er¬
zählte sie, habe er ein roth und gelbes Kattunfou¬
lard von ihr erhalten, auf Pfingsten ein Paar Schuh
und zu Neujahr hätte sie ihm ein Paar wollene
Strümpfe und eine Pelzkappe bereit, dem miserablen
Kerl, dem Knirps, dem Milchsuppengesicht! Seit

nes, welchen ſie mit großer Noth ſo weit ge¬
bracht, daß er als Geſelle bei Dorfſchneidern ſich
kuͤmmerlich umhertreiben konnte, waͤhrend ſie in der
Stadt ihr Brot mit Waſſertragen, Waſchen und
ſolchen Dingen verdienen mußte. Schon die Be¬
ſchreibung ihres Mannes, des Lumpenhundes, wie
ſie ihn nannte, machte uns hoͤchlich lachen, doch
noch mehr das Verhaͤltniß, in welchem ſie zu ih¬
rem Sohne ſtand. Waͤhrend ſie ihn als eine Frucht
des Lumpenhundes mit der groͤßten Verachtung be¬
zeichnete, war derſelbe doch der einzige Gegenſtand
ihrer Liebe und ihrer Sorge, ſo daß ſie fortwaͤh¬
rend von ihm ſprach. Sie gab ihm Alles, was
ſie irgend konnte, und gerade die Kleinheit die¬
ſer Gaben, die fuͤr ſie ſo viel waren, mußte uns
ruͤhren und zugleich zum Lachen reizen, wenn ſie
die »Opfer«, welche ſie fortwaͤhrend bringe, mit
gutmuͤthiger Prahlerei aufzaͤhlte. Letzte Oſtern, er¬
zaͤhlte ſie, habe er ein roth und gelbes Kattunfou¬
lard von ihr erhalten, auf Pfingſten ein Paar Schuh
und zu Neujahr haͤtte ſie ihm ein Paar wollene
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[335/0345] nes, welchen ſie mit großer Noth ſo weit ge¬ bracht, daß er als Geſelle bei Dorfſchneidern ſich kuͤmmerlich umhertreiben konnte, waͤhrend ſie in der Stadt ihr Brot mit Waſſertragen, Waſchen und ſolchen Dingen verdienen mußte. Schon die Be¬ ſchreibung ihres Mannes, des Lumpenhundes, wie ſie ihn nannte, machte uns hoͤchlich lachen, doch noch mehr das Verhaͤltniß, in welchem ſie zu ih¬ rem Sohne ſtand. Waͤhrend ſie ihn als eine Frucht des Lumpenhundes mit der groͤßten Verachtung be¬ zeichnete, war derſelbe doch der einzige Gegenſtand ihrer Liebe und ihrer Sorge, ſo daß ſie fortwaͤh¬ rend von ihm ſprach. Sie gab ihm Alles, was ſie irgend konnte, und gerade die Kleinheit die¬ ſer Gaben, die fuͤr ſie ſo viel waren, mußte uns ruͤhren und zugleich zum Lachen reizen, wenn ſie die »Opfer«, welche ſie fortwaͤhrend bringe, mit gutmuͤthiger Prahlerei aufzaͤhlte. Letzte Oſtern, er¬ zaͤhlte ſie, habe er ein roth und gelbes Kattunfou¬ lard von ihr erhalten, auf Pfingſten ein Paar Schuh und zu Neujahr haͤtte ſie ihm ein Paar wollene Struͤmpfe und eine Pelzkappe bereit, dem miſerablen Kerl, dem Knirps, dem Milchſuppengeſicht! Seit

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/345>, abgerufen am 27.11.2024.