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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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ken. Alle hatten von Kindheit auf die gleichen
Worte und Bilder des Christenthumes gehört,
immer ein wenig deutlicher; Alle fühlten jetzt,
daß man nun das wahre Verständniß von ihnen
verlange als ein Hauptkennzeichen ihrer mensch¬
lichen Tauglichkeit und als eine Hauptbedingung
ihrer Glückseligkeit, aber Alle setzten dem beredten
Lehrer ein farbloses und stummes Schweigen ent¬
gegen, durch ihre knappen Antworten nur dürftig
unterbrochen. Die starrsinnigen Knüppelstirnen
sowohl wie die glatten und heiteren, die engherzig
schmalen und niederen wie die hohen freien Wöl¬
bungen, diejenigen Stirnen, welchen in der Mitte
nur ein Knöpfchen fehlte, um ganz ein viereckiges
Schublädchen vorzustellen, wie diejenigen, welche
in edler Rundung eine ganze runde Welt abbil¬
deten, alle waren in der gleichen kühlen Ruhe
gesenkt; weder der künftige Freigeist, noch der
künftige Fanatiker gaben ein Zeichen ihrer Natur
von sich, weil der größte Proselytenmacher, das
Menschenschicksal, nicht mit in der Stube war.
Doch waren Alle einstweilen aufmerksam, und ich
selbst merkte wohl auf die inneren christlichen

ken. Alle hatten von Kindheit auf die gleichen
Worte und Bilder des Chriſtenthumes gehoͤrt,
immer ein wenig deutlicher; Alle fuͤhlten jetzt,
daß man nun das wahre Verſtaͤndniß von ihnen
verlange als ein Hauptkennzeichen ihrer menſch¬
lichen Tauglichkeit und als eine Hauptbedingung
ihrer Gluͤckſeligkeit, aber Alle ſetzten dem beredten
Lehrer ein farbloſes und ſtummes Schweigen ent¬
gegen, durch ihre knappen Antworten nur duͤrftig
unterbrochen. Die ſtarrſinnigen Knuͤppelſtirnen
ſowohl wie die glatten und heiteren, die engherzig
ſchmalen und niederen wie die hohen freien Woͤl¬
bungen, diejenigen Stirnen, welchen in der Mitte
nur ein Knoͤpfchen fehlte, um ganz ein viereckiges
Schublaͤdchen vorzuſtellen, wie diejenigen, welche
in edler Rundung eine ganze runde Welt abbil¬
deten, alle waren in der gleichen kuͤhlen Ruhe
geſenkt; weder der kuͤnftige Freigeiſt, noch der
kuͤnftige Fanatiker gaben ein Zeichen ihrer Natur
von ſich, weil der groͤßte Proſelytenmacher, das
Menſchenſchickſal, nicht mit in der Stube war.
Doch waren Alle einſtweilen aufmerkſam, und ich
ſelbſt merkte wohl auf die inneren chriſtlichen

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[296/0306] ken. Alle hatten von Kindheit auf die gleichen Worte und Bilder des Chriſtenthumes gehoͤrt, immer ein wenig deutlicher; Alle fuͤhlten jetzt, daß man nun das wahre Verſtaͤndniß von ihnen verlange als ein Hauptkennzeichen ihrer menſch¬ lichen Tauglichkeit und als eine Hauptbedingung ihrer Gluͤckſeligkeit, aber Alle ſetzten dem beredten Lehrer ein farbloſes und ſtummes Schweigen ent¬ gegen, durch ihre knappen Antworten nur duͤrftig unterbrochen. Die ſtarrſinnigen Knuͤppelſtirnen ſowohl wie die glatten und heiteren, die engherzig ſchmalen und niederen wie die hohen freien Woͤl¬ bungen, diejenigen Stirnen, welchen in der Mitte nur ein Knoͤpfchen fehlte, um ganz ein viereckiges Schublaͤdchen vorzuſtellen, wie diejenigen, welche in edler Rundung eine ganze runde Welt abbil¬ deten, alle waren in der gleichen kuͤhlen Ruhe geſenkt; weder der kuͤnftige Freigeiſt, noch der kuͤnftige Fanatiker gaben ein Zeichen ihrer Natur von ſich, weil der groͤßte Proſelytenmacher, das Menſchenſchickſal, nicht mit in der Stube war. Doch waren Alle einſtweilen aufmerkſam, und ich ſelbſt merkte wohl auf die inneren chriſtlichen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/306>, abgerufen am 24.11.2024.