Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

nehmsten von Haus aus zum äußeren Frieden
mit der Kirche streng erzogen wurden und die
meiste Sicherheit im Sprechen besaßen und dies
Verhältniß durch alle Grade herunterging, so
war dem Scheine nach die Rangordnung ganz
natürlich, besonders da die Ausnahmen sich dann
von selbst zu ihres Gleichen hielten und durchaus
nicht sich unter die anderen Stände mischen woll¬
ten. Es geziemte sich auch, daß diejenigen,
welche vermöge ihrer Verhältnisse darauf gewiesen
waren, als Männer einst in der Kirche eine
Stütze für ihre politischen und socialen Grund¬
sätze und einen Schutz für das "Eigenthum" zu
finden, in dieser geweihten Werkstätte des Chri¬
stenthumes obenan saßen und sich aufmerksam
verhielten, während dem gezeichneten Häuflein,
welchem eingeprägt werden mußte, daß Christi
Reich nicht von dieser Welt sei, zur heilsamen
Uebung auch hier der unterste Platz gebührte.

Schon das pünktliche Aufstehen und Hinge¬
hen am kalten dunklen Wintermorgen, an regel¬
mäßigen Tagen und das Hinsitzen an einen be¬
stimmten Platz war mir unerträglich, da ich seit

nehmſten von Haus aus zum aͤußeren Frieden
mit der Kirche ſtreng erzogen wurden und die
meiſte Sicherheit im Sprechen beſaßen und dies
Verhaͤltniß durch alle Grade herunterging, ſo
war dem Scheine nach die Rangordnung ganz
natuͤrlich, beſonders da die Ausnahmen ſich dann
von ſelbſt zu ihres Gleichen hielten und durchaus
nicht ſich unter die anderen Staͤnde miſchen woll¬
ten. Es geziemte ſich auch, daß diejenigen,
welche vermoͤge ihrer Verhaͤltniſſe darauf gewieſen
waren, als Maͤnner einſt in der Kirche eine
Stuͤtze fuͤr ihre politiſchen und ſocialen Grund¬
ſaͤtze und einen Schutz fuͤr das »Eigenthum« zu
finden, in dieſer geweihten Werkſtaͤtte des Chri¬
ſtenthumes obenan ſaßen und ſich aufmerkſam
verhielten, waͤhrend dem gezeichneten Haͤuflein,
welchem eingepraͤgt werden mußte, daß Chriſti
Reich nicht von dieſer Welt ſei, zur heilſamen
Uebung auch hier der unterſte Platz gebuͤhrte.

Schon das puͤnktliche Aufſtehen und Hinge¬
hen am kalten dunklen Wintermorgen, an regel¬
maͤßigen Tagen und das Hinſitzen an einen be¬
ſtimmten Platz war mir unertraͤglich, da ich ſeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0302" n="292"/>
nehm&#x017F;ten von Haus aus zum a&#x0364;ußeren Frieden<lb/>
mit der Kirche &#x017F;treng erzogen wurden und die<lb/>
mei&#x017F;te Sicherheit im Sprechen be&#x017F;aßen und dies<lb/>
Verha&#x0364;ltniß durch alle Grade herunterging, &#x017F;o<lb/>
war dem Scheine nach die Rangordnung ganz<lb/>
natu&#x0364;rlich, be&#x017F;onders da die Ausnahmen &#x017F;ich dann<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t zu ihres Gleichen hielten und durchaus<lb/>
nicht &#x017F;ich unter die anderen Sta&#x0364;nde mi&#x017F;chen woll¬<lb/>
ten. Es geziemte &#x017F;ich auch, daß diejenigen,<lb/>
welche vermo&#x0364;ge ihrer Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e darauf gewie&#x017F;en<lb/>
waren, als Ma&#x0364;nner ein&#x017F;t in der Kirche eine<lb/>
Stu&#x0364;tze fu&#x0364;r ihre politi&#x017F;chen und &#x017F;ocialen Grund¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze und einen Schutz fu&#x0364;r das »Eigenthum« zu<lb/>
finden, in die&#x017F;er geweihten Werk&#x017F;ta&#x0364;tte des Chri¬<lb/>
&#x017F;tenthumes obenan &#x017F;aßen und &#x017F;ich aufmerk&#x017F;am<lb/>
verhielten, wa&#x0364;hrend dem gezeichneten Ha&#x0364;uflein,<lb/>
welchem eingepra&#x0364;gt werden mußte, daß Chri&#x017F;ti<lb/>
Reich nicht von die&#x017F;er Welt &#x017F;ei, zur heil&#x017F;amen<lb/>
Uebung auch hier der unter&#x017F;te Platz gebu&#x0364;hrte.</p><lb/>
        <p>Schon das pu&#x0364;nktliche Auf&#x017F;tehen und Hinge¬<lb/>
hen am kalten dunklen Wintermorgen, an regel¬<lb/>
ma&#x0364;ßigen Tagen und das Hin&#x017F;itzen an einen be¬<lb/>
&#x017F;timmten Platz war mir unertra&#x0364;glich, da ich &#x017F;eit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0302] nehmſten von Haus aus zum aͤußeren Frieden mit der Kirche ſtreng erzogen wurden und die meiſte Sicherheit im Sprechen beſaßen und dies Verhaͤltniß durch alle Grade herunterging, ſo war dem Scheine nach die Rangordnung ganz natuͤrlich, beſonders da die Ausnahmen ſich dann von ſelbſt zu ihres Gleichen hielten und durchaus nicht ſich unter die anderen Staͤnde miſchen woll¬ ten. Es geziemte ſich auch, daß diejenigen, welche vermoͤge ihrer Verhaͤltniſſe darauf gewieſen waren, als Maͤnner einſt in der Kirche eine Stuͤtze fuͤr ihre politiſchen und ſocialen Grund¬ ſaͤtze und einen Schutz fuͤr das »Eigenthum« zu finden, in dieſer geweihten Werkſtaͤtte des Chri¬ ſtenthumes obenan ſaßen und ſich aufmerkſam verhielten, waͤhrend dem gezeichneten Haͤuflein, welchem eingepraͤgt werden mußte, daß Chriſti Reich nicht von dieſer Welt ſei, zur heilſamen Uebung auch hier der unterſte Platz gebuͤhrte. Schon das puͤnktliche Aufſtehen und Hinge¬ hen am kalten dunklen Wintermorgen, an regel¬ maͤßigen Tagen und das Hinſitzen an einen be¬ ſtimmten Platz war mir unertraͤglich, da ich ſeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/302
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/302>, abgerufen am 17.05.2024.