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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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gesellen abgelernt, war an weiteren Unterricht
nicht zu denken und die ehemaligen Schulübungen
waren längst in ein tiefes Meer der dunkelsten
Vergessenheit gerathen. Darum bildete sich, da
ich doch bis zum Uebermaß anhaltend spielte,
eine wildgewachsene Fertigkeit aus, welche sich in
den wunderlichsten Trillern, Läufen und Cadenzen
erging. Ich konnte eben so fertig blasen, was
ich mit dem Munde pfeifen oder aus dem Kopfe
singen konnte, aber nur in der härteren Tonart
die weichere hatte ich allerdings empfunden und
wußte sie auch hervorzubringen, aber dann mußte
ich langsam und vorsichtiger spielen, so daß diese
Stellen gar melancholisch und vielfach gebrochen
sich zwischen den übrigen Lärm verflochten. Musik¬
kundige, welche in entfernterer Nachbarschaft mein
Spiel hörten, hielten dasselbe für etwas Rechtes,
belobten mich und luden mich ein, an ihren Un¬
terhaltungen Theil zu nehmen. Als ich mich
aber mit meiner mächtigen braunen Röhre ein¬
fand, deren Klappe einer messingenen Thürklinke
glich, und verlegen und mit bösem Gewissen die
Ebenholzinstrumente mit einer Unzahl silberner

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geſellen abgelernt, war an weiteren Unterricht
nicht zu denken und die ehemaligen Schuluͤbungen
waren laͤngſt in ein tiefes Meer der dunkelſten
Vergeſſenheit gerathen. Darum bildete ſich, da
ich doch bis zum Uebermaß anhaltend ſpielte,
eine wildgewachſene Fertigkeit aus, welche ſich in
den wunderlichſten Trillern, Laͤufen und Cadenzen
erging. Ich konnte eben ſo fertig blaſen, was
ich mit dem Munde pfeifen oder aus dem Kopfe
ſingen konnte, aber nur in der haͤrteren Tonart
die weichere hatte ich allerdings empfunden und
wußte ſie auch hervorzubringen, aber dann mußte
ich langſam und vorſichtiger ſpielen, ſo daß dieſe
Stellen gar melancholiſch und vielfach gebrochen
ſich zwiſchen den uͤbrigen Laͤrm verflochten. Muſik¬
kundige, welche in entfernterer Nachbarſchaft mein
Spiel hoͤrten, hielten daſſelbe fuͤr etwas Rechtes,
belobten mich und luden mich ein, an ihren Un¬
terhaltungen Theil zu nehmen. Als ich mich
aber mit meiner maͤchtigen braunen Roͤhre ein¬
fand, deren Klappe einer meſſingenen Thuͤrklinke
glich, und verlegen und mit boͤſem Gewiſſen die
Ebenholzinſtrumente mit einer Unzahl ſilberner

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[217/0227] geſellen abgelernt, war an weiteren Unterricht nicht zu denken und die ehemaligen Schuluͤbungen waren laͤngſt in ein tiefes Meer der dunkelſten Vergeſſenheit gerathen. Darum bildete ſich, da ich doch bis zum Uebermaß anhaltend ſpielte, eine wildgewachſene Fertigkeit aus, welche ſich in den wunderlichſten Trillern, Laͤufen und Cadenzen erging. Ich konnte eben ſo fertig blaſen, was ich mit dem Munde pfeifen oder aus dem Kopfe ſingen konnte, aber nur in der haͤrteren Tonart die weichere hatte ich allerdings empfunden und wußte ſie auch hervorzubringen, aber dann mußte ich langſam und vorſichtiger ſpielen, ſo daß dieſe Stellen gar melancholiſch und vielfach gebrochen ſich zwiſchen den uͤbrigen Laͤrm verflochten. Muſik¬ kundige, welche in entfernterer Nachbarſchaft mein Spiel hoͤrten, hielten daſſelbe fuͤr etwas Rechtes, belobten mich und luden mich ein, an ihren Un¬ terhaltungen Theil zu nehmen. Als ich mich aber mit meiner maͤchtigen braunen Roͤhre ein¬ fand, deren Klappe einer meſſingenen Thuͤrklinke glich, und verlegen und mit boͤſem Gewiſſen die Ebenholzinſtrumente mit einer Unzahl ſilberner 14 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/227>, abgerufen am 24.11.2024.