Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Kapitel.

Der Frühling war gekommen; schon lagen
viele Frühpflanzen, nachdem sie flüchtige schöne
Tage hindurch mit ihren Blüthen der Menschen
Augen vergnügt, nun in stiller Vergessenheit dem
stillen Berufe ihres Reifens, der verborgenen
Vorbereitung zu ihrer Fortpflanzung ob. Schlüssel¬
blümchen und Veilchen waren spurlos unter dem
erstarkten Grase verschwunden, Niemand beachtete
ihre kleinen Früchtchen. Hingegen breiteten sich
Anemonen und die blauen Sterne des Immergrün
zahllos aus um die lichten Stämme junger Bir¬
ken, am Eingange der Gehölze, die Lenzsonne
durchschaute und überschien die Räumlichkeiten
zwischen den Bäumen, vergoldete den bunten
Waldboden; denn noch sah es hell und geräumig
aus, wie in dem Hause eines Gelehrten, dessen
Liebste dasselbe in Ordnung gebracht und aufge¬

Sechstes Kapitel.

Der Fruͤhling war gekommen; ſchon lagen
viele Fruͤhpflanzen, nachdem ſie fluͤchtige ſchoͤne
Tage hindurch mit ihren Bluͤthen der Menſchen
Augen vergnuͤgt, nun in ſtiller Vergeſſenheit dem
ſtillen Berufe ihres Reifens, der verborgenen
Vorbereitung zu ihrer Fortpflanzung ob. Schluͤſſel¬
bluͤmchen und Veilchen waren ſpurlos unter dem
erſtarkten Graſe verſchwunden, Niemand beachtete
ihre kleinen Fruͤchtchen. Hingegen breiteten ſich
Anemonen und die blauen Sterne des Immergruͤn
zahllos aus um die lichten Staͤmme junger Bir¬
ken, am Eingange der Gehoͤlze, die Lenzſonne
durchſchaute und uͤberſchien die Raͤumlichkeiten
zwiſchen den Baͤumen, vergoldete den bunten
Waldboden; denn noch ſah es hell und geraͤumig
aus, wie in dem Hauſe eines Gelehrten, deſſen
Liebſte daſſelbe in Ordnung gebracht und aufge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0225" n="[215]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Sechstes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Der Fru&#x0364;hling war gekommen; &#x017F;chon lagen<lb/>
viele Fru&#x0364;hpflanzen, nachdem &#x017F;ie flu&#x0364;chtige &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Tage hindurch mit ihren Blu&#x0364;then der Men&#x017F;chen<lb/>
Augen vergnu&#x0364;gt, nun in &#x017F;tiller Verge&#x017F;&#x017F;enheit dem<lb/>
&#x017F;tillen Berufe ihres Reifens, der verborgenen<lb/>
Vorbereitung zu ihrer Fortpflanzung ob. Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el¬<lb/>
blu&#x0364;mchen und Veilchen waren &#x017F;purlos unter dem<lb/>
er&#x017F;tarkten Gra&#x017F;e ver&#x017F;chwunden, Niemand beachtete<lb/>
ihre kleinen Fru&#x0364;chtchen. Hingegen breiteten &#x017F;ich<lb/>
Anemonen und die blauen Sterne des Immergru&#x0364;n<lb/>
zahllos aus um die lichten Sta&#x0364;mme junger Bir¬<lb/>
ken, am Eingange der Geho&#x0364;lze, die Lenz&#x017F;onne<lb/>
durch&#x017F;chaute und u&#x0364;ber&#x017F;chien die Ra&#x0364;umlichkeiten<lb/>
zwi&#x017F;chen den Ba&#x0364;umen, vergoldete den bunten<lb/>
Waldboden; denn noch &#x017F;ah es hell und gera&#x0364;umig<lb/>
aus, wie in dem Hau&#x017F;e eines Gelehrten, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Lieb&#x017F;te da&#x017F;&#x017F;elbe in Ordnung gebracht und aufge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[215]/0225] Sechstes Kapitel. Der Fruͤhling war gekommen; ſchon lagen viele Fruͤhpflanzen, nachdem ſie fluͤchtige ſchoͤne Tage hindurch mit ihren Bluͤthen der Menſchen Augen vergnuͤgt, nun in ſtiller Vergeſſenheit dem ſtillen Berufe ihres Reifens, der verborgenen Vorbereitung zu ihrer Fortpflanzung ob. Schluͤſſel¬ bluͤmchen und Veilchen waren ſpurlos unter dem erſtarkten Graſe verſchwunden, Niemand beachtete ihre kleinen Fruͤchtchen. Hingegen breiteten ſich Anemonen und die blauen Sterne des Immergruͤn zahllos aus um die lichten Staͤmme junger Bir¬ ken, am Eingange der Gehoͤlze, die Lenzſonne durchſchaute und uͤberſchien die Raͤumlichkeiten zwiſchen den Baͤumen, vergoldete den bunten Waldboden; denn noch ſah es hell und geraͤumig aus, wie in dem Hauſe eines Gelehrten, deſſen Liebſte daſſelbe in Ordnung gebracht und aufge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/225
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. [215]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/225>, abgerufen am 24.11.2024.