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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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er noch die Schulen besuchte, reichlichen Stoff
von da in meine Kammer brachte. Doch war
unser Verkehr mehr ein prahlerisches Feuerwerk
und glänzende Uebung genialer und origineller
Formen, die wir nachahmend aus Gelesenem
erhaschten. Zugleich war er lebenslustig und trieb
sich eben so oft mit flotten Leuten in Wirths¬
häusern herum, von deren Herrlichkeiten und
energischen Gelagen er mir dann erzählte. Ich
blieb meistens wehmüthig zu Hause, da mich
meine Mutter in dieser Beziehung äußerst knapp
hielt und keine Nothwendigkeit einer geringsten
Ausgabe dieser Art einsah. Deswegen sah ich
dem froh sich Herumtummelnden nach wie ein
gefangener Vogel einem in der Höhe fliegenden
und träumte von der Freiheit einer glänzenden
Zukunft, wo ich eine Zierde der Zechgelage zu
werden mir vornahm. Inzwischen aber mißbil¬
ligte ich, wie der Fuchs, dem die Trauben zu
sauer sind, öfter die Wildheit meines Freundes
und suchte ihn mehr an meine stille Wohnung
zu fesseln. Dies verursachte manche Mißstim¬
mung zwischen uns, und ich freute mich endlich

er noch die Schulen beſuchte, reichlichen Stoff
von da in meine Kammer brachte. Doch war
unſer Verkehr mehr ein prahleriſches Feuerwerk
und glaͤnzende Uebung genialer und origineller
Formen, die wir nachahmend aus Geleſenem
erhaſchten. Zugleich war er lebensluſtig und trieb
ſich eben ſo oft mit flotten Leuten in Wirths¬
haͤuſern herum, von deren Herrlichkeiten und
energiſchen Gelagen er mir dann erzaͤhlte. Ich
blieb meiſtens wehmuͤthig zu Hauſe, da mich
meine Mutter in dieſer Beziehung aͤußerſt knapp
hielt und keine Nothwendigkeit einer geringſten
Ausgabe dieſer Art einſah. Deswegen ſah ich
dem froh ſich Herumtummelnden nach wie ein
gefangener Vogel einem in der Hoͤhe fliegenden
und traͤumte von der Freiheit einer glaͤnzenden
Zukunft, wo ich eine Zierde der Zechgelage zu
werden mir vornahm. Inzwiſchen aber mißbil¬
ligte ich, wie der Fuchs, dem die Trauben zu
ſauer ſind, oͤfter die Wildheit meines Freundes
und ſuchte ihn mehr an meine ſtille Wohnung
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mung zwiſchen uns, und ich freute mich endlich

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[208/0218] er noch die Schulen beſuchte, reichlichen Stoff von da in meine Kammer brachte. Doch war unſer Verkehr mehr ein prahleriſches Feuerwerk und glaͤnzende Uebung genialer und origineller Formen, die wir nachahmend aus Geleſenem erhaſchten. Zugleich war er lebensluſtig und trieb ſich eben ſo oft mit flotten Leuten in Wirths¬ haͤuſern herum, von deren Herrlichkeiten und energiſchen Gelagen er mir dann erzaͤhlte. Ich blieb meiſtens wehmuͤthig zu Hauſe, da mich meine Mutter in dieſer Beziehung aͤußerſt knapp hielt und keine Nothwendigkeit einer geringſten Ausgabe dieſer Art einſah. Deswegen ſah ich dem froh ſich Herumtummelnden nach wie ein gefangener Vogel einem in der Hoͤhe fliegenden und traͤumte von der Freiheit einer glaͤnzenden Zukunft, wo ich eine Zierde der Zechgelage zu werden mir vornahm. Inzwiſchen aber mißbil¬ ligte ich, wie der Fuchs, dem die Trauben zu ſauer ſind, oͤfter die Wildheit meines Freundes und ſuchte ihn mehr an meine ſtille Wohnung zu feſſeln. Dies verurſachte manche Mißſtim¬ mung zwiſchen uns, und ich freute mich endlich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/218>, abgerufen am 24.11.2024.