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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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zum Teufel in der Nähe der Stadt ein solcher
Fall zu finden ist! Dann möchte ich auch wissen,
was an solchen verfaulten Weidenstöcken Zeichnens¬
werthes ist, da dünkte mich doch eine gesunde
Eiche oder Buche erbaulicher u. s. f."

Die Frauensleute hingegen ärgerten sich über
meine Vagabunden, Kesselflicker und Fratzen¬
gesichter, und begriffen nicht, warum ich im
Felde nicht lieber ein artiges vorübergehendes
Landmädchen oder einen anständigen Ackersmann
abgebildet habe, als mich fortwährend mit solchen
Unholden zu beschäftigen; die Söhne belachten
meine ungeheuerlichen Berghöhlen, die unmög¬
lichen und lächerlichen Brücken, die menschen¬
ähnlichen Steinköpfe und Baumkrüppel, und ga¬
ben jeder solchen Tollheit einen lustigen Namen,
dessen Lächerlichkeit auf mich zu fallen schien. Ich
stand beschämt da als ein Mensch, der voll när¬
rischer und eitler Dinge ist, und die mitgebrachte
künstliche Krankhaftigkeit verkroch sich vor der
einfachen Gesundheit dieses Hauses und der länd¬
lichen Luft.

Gleich am ersten Tage nach meiner Ankunft

zum Teufel in der Naͤhe der Stadt ein ſolcher
Fall zu finden iſt! Dann moͤchte ich auch wiſſen,
was an ſolchen verfaulten Weidenſtoͤcken Zeichnens¬
werthes iſt, da duͤnkte mich doch eine geſunde
Eiche oder Buche erbaulicher u. ſ. f.«

Die Frauensleute hingegen aͤrgerten ſich uͤber
meine Vagabunden, Keſſelflicker und Fratzen¬
geſichter, und begriffen nicht, warum ich im
Felde nicht lieber ein artiges voruͤbergehendes
Landmaͤdchen oder einen anſtaͤndigen Ackersmann
abgebildet habe, als mich fortwaͤhrend mit ſolchen
Unholden zu beſchaͤftigen; die Soͤhne belachten
meine ungeheuerlichen Berghoͤhlen, die unmoͤg¬
lichen und laͤcherlichen Bruͤcken, die menſchen¬
aͤhnlichen Steinkoͤpfe und Baumkruͤppel, und ga¬
ben jeder ſolchen Tollheit einen luſtigen Namen,
deſſen Laͤcherlichkeit auf mich zu fallen ſchien. Ich
ſtand beſchaͤmt da als ein Menſch, der voll naͤr¬
riſcher und eitler Dinge iſt, und die mitgebrachte
kuͤnſtliche Krankhaftigkeit verkroch ſich vor der
einfachen Geſundheit dieſes Hauſes und der laͤnd¬
lichen Luft.

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[188/0198] zum Teufel in der Naͤhe der Stadt ein ſolcher Fall zu finden iſt! Dann moͤchte ich auch wiſſen, was an ſolchen verfaulten Weidenſtoͤcken Zeichnens¬ werthes iſt, da duͤnkte mich doch eine geſunde Eiche oder Buche erbaulicher u. ſ. f.« Die Frauensleute hingegen aͤrgerten ſich uͤber meine Vagabunden, Keſſelflicker und Fratzen¬ geſichter, und begriffen nicht, warum ich im Felde nicht lieber ein artiges voruͤbergehendes Landmaͤdchen oder einen anſtaͤndigen Ackersmann abgebildet habe, als mich fortwaͤhrend mit ſolchen Unholden zu beſchaͤftigen; die Soͤhne belachten meine ungeheuerlichen Berghoͤhlen, die unmoͤg¬ lichen und laͤcherlichen Bruͤcken, die menſchen¬ aͤhnlichen Steinkoͤpfe und Baumkruͤppel, und ga¬ ben jeder ſolchen Tollheit einen luſtigen Namen, deſſen Laͤcherlichkeit auf mich zu fallen ſchien. Ich ſtand beſchaͤmt da als ein Menſch, der voll naͤr¬ riſcher und eitler Dinge iſt, und die mitgebrachte kuͤnſtliche Krankhaftigkeit verkroch ſich vor der einfachen Geſundheit dieſes Hauſes und der laͤnd¬ lichen Luft. Gleich am erſten Tage nach meiner Ankunft

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/198>, abgerufen am 02.05.2024.