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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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der Oheim die Zeichnungen betrachtete, welche ich
nach der Natur gefertigt haben wollte (denn ich
glaubte nun wie ein verstockter Lügner beinahe
selbst daran und wußte überdies, da ich die
Dinge einmal unter freiem Himmel und immer¬
hin unter dem Einflusse der Natur zuwege ge¬
bracht, keine andere Bezeichnung dafür aufzu¬
finden), da schüttelte er bedenklich den Kopf
und wunderte sich, wo ich denn meine Augen
gehabt hätte. In seinem realistischen Sinne, als
tüchtiger Land- und Forstmann, fand er trotz
aller Unkunde in Kunstdingen den Fehler schnell
und leicht heraus.

"Diese Bäume," sagte er, "sehen ja einer dem
andern ähnlich und alle zusammen gar keinem
wirklichen! Diese Felsen und Steine könnten
keinen Augenblick so aufeinanderliegen, ohne zu¬
sammenzufallen! Hier ist ein Wasserfall, dessen
Masse einen der größeren Fälle verkündet, die
aber über kleinliche Bachsteine stürzt, als ob ein
Regiment Soldaten über einen Span stolperte;
hierzu wäre eine tüchtige Felswand erforderlich,
indessen nimmt es mich eigentlich Wunder, wo

der Oheim die Zeichnungen betrachtete, welche ich
nach der Natur gefertigt haben wollte (denn ich
glaubte nun wie ein verſtockter Luͤgner beinahe
ſelbſt daran und wußte uͤberdies, da ich die
Dinge einmal unter freiem Himmel und immer¬
hin unter dem Einfluſſe der Natur zuwege ge¬
bracht, keine andere Bezeichnung dafuͤr aufzu¬
finden), da ſchuͤttelte er bedenklich den Kopf
und wunderte ſich, wo ich denn meine Augen
gehabt haͤtte. In ſeinem realiſtiſchen Sinne, als
tuͤchtiger Land- und Forſtmann, fand er trotz
aller Unkunde in Kunſtdingen den Fehler ſchnell
und leicht heraus.

»Dieſe Baͤume,« ſagte er, »ſehen ja einer dem
andern aͤhnlich und alle zuſammen gar keinem
wirklichen! Dieſe Felſen und Steine koͤnnten
keinen Augenblick ſo aufeinanderliegen, ohne zu¬
ſammenzufallen! Hier iſt ein Waſſerfall, deſſen
Maſſe einen der groͤßeren Faͤlle verkuͤndet, die
aber uͤber kleinliche Bachſteine ſtuͤrzt, als ob ein
Regiment Soldaten uͤber einen Span ſtolperte;
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[187/0197] der Oheim die Zeichnungen betrachtete, welche ich nach der Natur gefertigt haben wollte (denn ich glaubte nun wie ein verſtockter Luͤgner beinahe ſelbſt daran und wußte uͤberdies, da ich die Dinge einmal unter freiem Himmel und immer¬ hin unter dem Einfluſſe der Natur zuwege ge¬ bracht, keine andere Bezeichnung dafuͤr aufzu¬ finden), da ſchuͤttelte er bedenklich den Kopf und wunderte ſich, wo ich denn meine Augen gehabt haͤtte. In ſeinem realiſtiſchen Sinne, als tuͤchtiger Land- und Forſtmann, fand er trotz aller Unkunde in Kunſtdingen den Fehler ſchnell und leicht heraus. »Dieſe Baͤume,« ſagte er, »ſehen ja einer dem andern aͤhnlich und alle zuſammen gar keinem wirklichen! Dieſe Felſen und Steine koͤnnten keinen Augenblick ſo aufeinanderliegen, ohne zu¬ ſammenzufallen! Hier iſt ein Waſſerfall, deſſen Maſſe einen der groͤßeren Faͤlle verkuͤndet, die aber uͤber kleinliche Bachſteine ſtuͤrzt, als ob ein Regiment Soldaten uͤber einen Span ſtolperte; hierzu waͤre eine tuͤchtige Felswand erforderlich, indeſſen nimmt es mich eigentlich Wunder, wo

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/197>, abgerufen am 28.11.2024.