Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

pflanzen, das uns unser junge Freund geschaffen.
Da er Dir die Ehre erwiesen hat, liebes Aenn¬
chen, Deinen Namen unter die Blumen zu setzen,
so mag die Tafel zugleich Deine Ehren- und
Denktafel in unserem Hause sein und ein Vor¬
bild, immer heiter, mit geschmückter Seele und
schuldlos zu leben, wie diese zierlichen und ehr¬
baren Werke Gottes!"

Nach Tisch machte ich mich endlich bereit zur
Rückkehr; Anna erinnerte sich, daß heute wieder
Tanzübung stattfinde und erbat sich die Erlaub¬
niß, gleich mit mir gehen zu dürfen. Zugleich
verkündete sie, daß sie bei ihren Basen übernach¬
ten würde, um nicht wieder so spät über den
Berg zu müssen. Wir wählten den Weg längs
des Flüßchens, um im Schatten zu gehen, und
da dieser Pfad vielfach feucht war und von tie¬
fen Kräutern und Gesträuchen beengt, schürzte sie
das hellgrüne, mit rothen Punkten besetzte Kleid,
nahm den Strohhut der überhängenden Zweige
wegen in die Hand und schritt anmuthig neben
mir her durch das Helldunkel, durch welches die
heimlich leuchtenden Wellen über rosenrothe, weiße

8 *

pflanzen, das uns unſer junge Freund geſchaffen.
Da er Dir die Ehre erwieſen hat, liebes Aenn¬
chen, Deinen Namen unter die Blumen zu ſetzen,
ſo mag die Tafel zugleich Deine Ehren- und
Denktafel in unſerem Hauſe ſein und ein Vor¬
bild, immer heiter, mit geſchmuͤckter Seele und
ſchuldlos zu leben, wie dieſe zierlichen und ehr¬
baren Werke Gottes!«

Nach Tiſch machte ich mich endlich bereit zur
Ruͤckkehr; Anna erinnerte ſich, daß heute wieder
Tanzuͤbung ſtattfinde und erbat ſich die Erlaub¬
niß, gleich mit mir gehen zu duͤrfen. Zugleich
verkuͤndete ſie, daß ſie bei ihren Baſen uͤbernach¬
ten wuͤrde, um nicht wieder ſo ſpaͤt uͤber den
Berg zu muͤſſen. Wir waͤhlten den Weg laͤngs
des Fluͤßchens, um im Schatten zu gehen, und
da dieſer Pfad vielfach feucht war und von tie¬
fen Kraͤutern und Geſtraͤuchen beengt, ſchuͤrzte ſie
das hellgruͤne, mit rothen Punkten beſetzte Kleid,
nahm den Strohhut der uͤberhaͤngenden Zweige
wegen in die Hand und ſchritt anmuthig neben
mir her durch das Helldunkel, durch welches die
heimlich leuchtenden Wellen uͤber roſenrothe, weiße

8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="121"/>
pflanzen, das uns un&#x017F;er junge Freund ge&#x017F;chaffen.<lb/>
Da er Dir die Ehre erwie&#x017F;en hat, liebes Aenn¬<lb/>
chen, Deinen Namen unter die Blumen zu &#x017F;etzen,<lb/>
&#x017F;o mag die Tafel zugleich Deine Ehren- und<lb/>
Denktafel in un&#x017F;erem Hau&#x017F;e &#x017F;ein und ein Vor¬<lb/>
bild, immer heiter, mit ge&#x017F;chmu&#x0364;ckter Seele und<lb/>
&#x017F;chuldlos zu leben, wie die&#x017F;e zierlichen und ehr¬<lb/>
baren Werke Gottes!«</p><lb/>
        <p>Nach Ti&#x017F;ch machte ich mich endlich bereit zur<lb/>
Ru&#x0364;ckkehr; Anna erinnerte &#x017F;ich, daß heute wieder<lb/>
Tanzu&#x0364;bung &#x017F;tattfinde und erbat &#x017F;ich die Erlaub¬<lb/>
niß, gleich mit mir gehen zu du&#x0364;rfen. Zugleich<lb/>
verku&#x0364;ndete &#x017F;ie, daß &#x017F;ie bei ihren Ba&#x017F;en u&#x0364;bernach¬<lb/>
ten wu&#x0364;rde, um nicht wieder &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t u&#x0364;ber den<lb/>
Berg zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wir wa&#x0364;hlten den Weg la&#x0364;ngs<lb/>
des Flu&#x0364;ßchens, um im Schatten zu gehen, und<lb/>
da die&#x017F;er Pfad vielfach feucht war und von tie¬<lb/>
fen Kra&#x0364;utern und Ge&#x017F;tra&#x0364;uchen beengt, &#x017F;chu&#x0364;rzte &#x017F;ie<lb/>
das hellgru&#x0364;ne, mit rothen Punkten be&#x017F;etzte Kleid,<lb/>
nahm den Strohhut der u&#x0364;berha&#x0364;ngenden Zweige<lb/>
wegen in die Hand und &#x017F;chritt anmuthig neben<lb/>
mir her durch das Helldunkel, durch welches die<lb/>
heimlich leuchtenden Wellen u&#x0364;ber ro&#x017F;enrothe, weiße<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0131] pflanzen, das uns unſer junge Freund geſchaffen. Da er Dir die Ehre erwieſen hat, liebes Aenn¬ chen, Deinen Namen unter die Blumen zu ſetzen, ſo mag die Tafel zugleich Deine Ehren- und Denktafel in unſerem Hauſe ſein und ein Vor¬ bild, immer heiter, mit geſchmuͤckter Seele und ſchuldlos zu leben, wie dieſe zierlichen und ehr¬ baren Werke Gottes!« Nach Tiſch machte ich mich endlich bereit zur Ruͤckkehr; Anna erinnerte ſich, daß heute wieder Tanzuͤbung ſtattfinde und erbat ſich die Erlaub¬ niß, gleich mit mir gehen zu duͤrfen. Zugleich verkuͤndete ſie, daß ſie bei ihren Baſen uͤbernach¬ ten wuͤrde, um nicht wieder ſo ſpaͤt uͤber den Berg zu muͤſſen. Wir waͤhlten den Weg laͤngs des Fluͤßchens, um im Schatten zu gehen, und da dieſer Pfad vielfach feucht war und von tie¬ fen Kraͤutern und Geſtraͤuchen beengt, ſchuͤrzte ſie das hellgruͤne, mit rothen Punkten beſetzte Kleid, nahm den Strohhut der uͤberhaͤngenden Zweige wegen in die Hand und ſchritt anmuthig neben mir her durch das Helldunkel, durch welches die heimlich leuchtenden Wellen uͤber roſenrothe, weiße 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/131
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/131>, abgerufen am 05.05.2024.